■ Tschechien: Die Rechten wählen Václav Klaus wieder zu ihrem Chef
: Auf Schlingerkurs

Václav Klaus hat neun Leben wie eine Katze, schrieb in diesen Tagen sein einst engster Berater. Er mußte es wissen. Mit bis heute unbestätigten Berichten über ein illegales Schweizer Parteikonto läßt sich ein von seiner Berufung so überzeugter Politiker nicht stürzen. Die Klaus-Gegner haben unterschätzt, welche Unterstützung dieser an der Basis bis heute hat, und so ist das wichtigste Ergebnis des parteiinternen Aufstands: Die nächsten Wahlen werden die Sozialdemokraten gewinnen.

Die tschechische Rechte weiß nicht, wohin, und sie weiß auch nicht mehr, warum. Wer verfolgen konnte, wie die einen von der „Freiheit von“, die anderen aber von der „Freiheit zu etwas“ sprachen, der weiß, daß die Parteistrategen bis zu den Wahlen noch einiges zu tun haben, um dies in einem Programm zu vereinen. Liberal oder konservativ oder etwa liberal-konservativ, so lautet ihre Frage.

Verantwortlich für diese Orientierungskrise sind die beiden Politiker, die dem Land Orientierung geben wollten: Václav Klaus und Václav Havel. Mehr als sieben Jahre lang haben die beiden ihre angeblich gegensätzlichen gesellschaftlichen Entwürfe der Öffentlichkeit in nicht mehr zu zählenden Reden und Artikeln präsentiert. Haben „Freiheit“ und „Verantwortung“ als Gegensätze aufgebaut, ganz so als gäbe es beim großen westlichen Nachbarn nicht bereits eine Partei, die mit beiden Begriffen jahrezehntelang regiert. Als stünden nicht auch Politiker anderer Länder vor der Frage, was in Zeiten der Globalisierung noch staatlich geregelt werden kann und muß. Während des wirtschaftlichen Erfolgs wurde der Präsident leiser. Jetzt, im Angesicht der Krise verdammt er die Klaussche Politik, die das Land immerhin zu einem der ersten Kandidaten für den EU-Beitritt gemacht hat, ins Reich des Bösen. Woraufhin der Premier ausgerechnet dem verdienten Dissidenten vorhält, nichts von der freien Gesellschaft zu verstehen.

Diese Krise ist eine Krise der 60jährigen, meint ein junger politischer Beobachter. Er ist nicht allein. Die Öffentlichkeit ist es leid, die immer gleichen Reden zweier Politiker zu hören, die ihre politische Sozialisation als 30jährige während des Prager Frühlings erfuhren und sich seitdem in sich selbst und ihre Ideen verliebt haben. Und so sollten die 60jährigen nun das Kampffeld räumen und der tschechischen Rechten die Möglichkeit geben, sich neuzuorientieren. Die Antwort auf die Frage nach Freiheit und Verantwortung müssen vorerst die Sozialdemokraten geben. Sabine Herre