Zögerliche Hanseaten

Die Häfen von Hamburg und Bremen wollen vielleicht ihre teure und altertümliche Rivalität zurückschrauben  ■ Aus Bremen Joachim Fahrun

Bremen schaut mit einer Mischung aus Neid und Bewunderung auf Hamburg: An der Elbe ist der Hafen bedeutender, die umgeschlagene Menge größer, die Bürger sind reicher. Die Hamburger blicken auf die Bremer wie auf arme Verwandte herab. Die beiden wichtigsten deutschen Hafenstädte rivalisieren verbissen um jede Tonne Ladung und versuchen, möglichst viele Schiffe an die Kais der stadteigenen Umschlagsgesellschaften Bremer Lagerhaus Gesellschaft (BLG) und Hamburger Hafen- und Lagerhaus Aktiengesellschaft (HHLA) zu locken. Koste es, was es wolle.

Darum wurden und werden in Hamburg wie im kaum 100 Kilometer entfernten Bremerhaven Hunderte von Millionen Mark in den Ausbau der Containerterminals gesteckt. Sowohl die Außenweser als auch die Elbe sollen in den kommenden Jahren auf 14 Meter unter Seekartennull ausgebaggert werden, damit auch die Postpanmax-Containerschiff-Riesen, die nicht mehr durch den Panamakanal passen, noch Wasser unter dem Kiel haben. Die Rufe von Umweltschützern, doch zugunsten einer klugen Zusammenarbeit zwischen den Häfen die Naturzerstörung zu begrenzen, prallten bisher am Standortargument der Hafeneliten beider Städte ab.

Seit einigen Wochen dringt nun Unerhörtes aus den Büros der Hafenlenker und Politiker. Bei Geheimtreffen sprachen beide Städte über eine Kooperation der Häfen, gar eine gesellschaftsrechtliche Verschmelzung von BLG und HHLA wurden erwogen, von einer Deutsche Bucht AG als Holding für die Häfen war die Rede. Die Arbeitsteilung liegt auf der Hand: In Bremerhaven werden die Container von den Riesenschiffen abgeladen. Hamburg, wo sehr viel mehr Güter direkt weiterverarbeitet werden, würde über kleinere Schiffe versorgt, so wie heute schon die Häfen Großbritanniens, Skandinaviens und des Baltikums.

Eine Bündelung der Kräfte könnte auch ökonomisch Sinn machen, denn beide Staatsfirmen leiden unter der Konkurrenz im Hafengeschäft und dem Bestreben Rotterdams, sich als Europas Mainport zu etablieren. Die global operierenden Reedereien diktieren Preise und Konditionen. Wer nur noch Container aus- und einlädt, kommt kaum auf seine Kosten, obwohl der deutsche Exportboom den Häfen zweistellige Zuwachsraten beschert. Bislang sah der Hafenplatz Bremen wie der sichere Verlierer im Rennen um die Zukunft aus. Bei den traditionellen Handelsgütern Futtermittel, Röhren, Holz oder Baumwolle gab es Einbrüche. Die BLG schrammte in diesem Jahr knapp an der Pleite vorbei. Hunderte Hafenarbeiter wurden entlassen, die Gesellschaft komplett umstrukturiert.

Seit neuestem zeigen Bremens Hafensenator Uwe Beckmeyer (SPD) und die BLG-Führung aber neues Selbstbewußtsein. Denn Bremen hat gegenüber Hamburg einen Vorteil: Der Containerterminal an der Außenweser in Bremerhaven liegt im Meer. Hamburg ist von der Nordsee erst nach sechs Stunden zu erreichen. Außerdem kostet das Ausbaggern der Fahrrinne vom offenen Meer bis Bremerhaven mit knapp 100 Millionen Mark weniger als die Hälfte der Summe, die eine Elbvertiefung verschlingen würde. Und im Wattenmeer sind weniger Konflikte zu erwarten als mit den Landkreisen an der Elbe.

Hamburg steht unter Druck. Denn je größer die Schiffe der Containerlinien werden, desto mehr geht der Trend dazu, nur noch einen Hafen in Deutschland anzulaufen. Doch die zaghaft begonnenen Kooperationsgespräche zwischen den Städten liegen auf Eis. Inzwischen geht es auch um mehr als um freundliche Absichtserklärungen: Die dänische Reederei Maersk, weltweit größte Containerlinie, erwägt, einen mit der US-Reederei Sea- Land betriebenen Ostasien-Containerdienst von Hamburg nach Bremerhaven zu verlagern. Die bis zu 90.000 Container (TEU) wären bei einem Gesamtumschlag von 1,7 Millionen TEU 1997 eine beachtliche Größe für Bremerhaven.

Die Dänen hatten sich geärgert, da ihnen Hamburg keinen Terminal in Eigenregie überlassen wollte. Bremerhaven ist offener: Grundsätzlich könne man darüber reden, sagt Hafensenator Beckmeyer. Maersk pokert und hofft auf ein Gegenangebot aus Hamburg. In Bremen hält man es für aussichtslos, den internationalen Reedereien vorschreiben zu wollen, welchen deutschen Hafen sie anlaufen. Eine Arbeitsteilung, die Bremerhaven als reinen Abwurfort für Container festschriebe, läßt sich auch nach Ansicht der BLG nicht durchsetzen: „Niemand kann verhindern, daß sich auch in Bremerhaven Distributionsfirmen ansiedeln“, sagt ein BLG-Sprecher.