Die Renitenz verkaufter Sklaven

Die Belegschaft der Elmshorner Fabrik Steen will heute erneut ihren Betrieb besetzen. 1993 half dieses Mittel bereits gegen Jobkiller  ■ Von Kai von Appen

Über dem Elmshorner Schiffswinden-Werk „Steen“wehen ab heute wieder rote Fahnen. Nach Informationen aus Belegschaftskreisen wird der Betrieb zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren „besetzt“. Denn, so befürchten MitarbeiterInnen und die IG Metall, der maritime Betrieb soll von der Schweriner Konzernmutter „KGW-GmbH“in den Konkurs geführt werden.

Seit Anfang Dezember stehen die Zeichen auf Sturm. Anlaß war die Entsendung eines „externen Beraters“in das Elmshorner Unternehmen durch die Schweriner Konzernmutter. Da nach einer Betriebsvereinbarung der Einsatz „externer“Berater nur dann zulässig ist, „wenn beim Betriebsrat die Zustimmung eingeholt worden ist“, verweigerten die Steen-Leute die Zusammenarbeit.

Am vorigen Dienstag eskalierte der Konflikt, so daß die 50 MetallerInnen in den Streik traten – nur einmal kurz unterbrochen durch eine außerordentliche Betriebsversammlung. Die IG Metall – zur Friedenspflicht verdonnert – versuchte vergebens zwischen den „Ossi“-Bossen und den „wild“Streikenden zu vermitteln.

Am gestrigen Montag sollte in Schwerin nun nochmals ein Vermittlungsgespräch zwischen Gewerkschaft und Anteilseigner stattfinden, um über einen Haustarifvertrag zur „Arbeitsplatzsicherung“zu verhandeln. Doch als der Elmshorner IG Metall-Sekretär Uwe Zabel zusammen mit 50 Steen-Mitarbeitern per Bus vor der Mecklenburger Konzernzentrale vorfuhr, empfing sie eine Hundertschaft Polizei. Zabel entrüstet zur taz: „Wir wollten vermitteln und werden von der Polizei empfangen – das war Ossi-Wild pur.“

Zu Verhandlungen kam es nach Angaben Zabels nicht mehr: „Die Belegschaft hat die roten Fahnen ausgerollt und ist durch Schwerin demonstriert.“Mit einer Warnstreikaktion wird die IG Metall heute vermutlich den bislang „Wilden Streik“offiziell legalisieren, um die Beschäftigten abzusichern. Doch die gehen noch einen Schritt weiter: Sie haben angekündigt, Tag und Nacht im Betrieb zu bleiben.

Bereits im März 1993 hatte die Steen-Belegschaft mit einer Betriebsbesetzung für Schlagzeilen gesorgt. Der damalige Anlaß: Firmen-Inhaber Klaus Steen hatte in einer Nacht-und-Nebel-Aktion den Betrieb an die KGW verkauft. Zabel: „Joint-venture-West war damals noch in.“Den kämpferischen Slogan „Auch verkaufte Sklaven können aufstehen“konnten die renitenten Steen-Mitarbeiter aber seinerzeit in die Tat umsetzen. Fast alle der 65 Arbeitsplätze konnten gesichert werden. Die Anteilseigner zeigten daraufhin wenig Interesse an dem Betrieb, so daß Arbeiter und leitende Angestellte das Werk nahezu in eigener Regie weiterführten.

Offenkundig wegen Immobiliengeschäften – KGW besitzt ein wertvolles Areal in der Schweriner City – möchte der Konzern nun den „Klotz Steen“liquidieren, vermutet die IG Metall, die gegen solche Pläne Widerstand ankündigte.