■ Vorschlag
: Esperanza ahoi! – Maia Wiests Musical in der Alten TU-Mensa

Die „Esperanza“ ist ein Seelenverkäufer. An Bord: ein reiches Mädchen, verkleidet als Aschenputtel. Ein armer Schlucker, der auf Millionär macht. Ein abenteuernder Hochstapler, eine hysterische Alte auf Männerjagd, ein lateinamerikanischer Macho. Lauter gute alte Bekannte, das ganze Panoptikum aus Omas Unterhaltungsliteratur. Auch die Handlungsmaschinerie hat mächtig Rost angesetzt und kracht aus allen Schweißnähten. Das Musical kreuzt irgendwo im Bermudadreieck zwischen Agatha Christies „Tod auf dem Nil“ und Katherine Porters sozialkritischem Roman „Das Narrenschiff“. Und säuft mit Mann und Maus ab.

Das hätte nicht sein müssen. Ein bißchen Ironie hätte den alten Musikdampfer sicher noch einmal in Schwung bringen können. Aber die junge Komponistin Maia Wiest, Musikstudentin an der HdK, meint es zu ernst. Ihre Figuren und das Publikum haben eine Lektion zu lernen: „Man kann sich selbst nicht entfliehen“, singt das geläuterte Personal am Ende: „Jetzt werd' ich, wie ich bin, der Welt entgegengehn.“ Erkenntnisse, die vom Himmel herabfallen, denn ernsthaften Leiden und Gefahren war niemand ausgesetzt. Schon das allererste Lied ist ein einverständiges Duo des späteren Liebespaares. Ihre Lügen und Maskeraden führen zum einzigen größeren Konflikt, doch schon nach wenigen Minuten ist alles wieder im Lot. Selbst dem Sturm, der mit wuchtigen Dissonanzen über die „Esperanza“ herfällt, geht schnell die Puste aus. Die größte Überraschung bietet eine Szene, in der sich alle Figuren plötzlich in neuer Gestalt in einem amerikanischen Schnellrestaurant zusammenfinden. Leider ist sie nur mit einer mühseligen Traumverbindung ans Übrige angehängt.

Daß dieses Musical trotzdem seine Uraufführung erlebte, ist die eigentliche große Leistung von Maia Wiest. Über ein Jahr lang kämpfte die 23jährige für ihr Stück, warb Nachwuchssänger der HdK und der Musikhochschule „Hanns Eisler“, beschwatzte Sponsoren, organisierte Proben. Mit winzigem Budget machten drei junge Bühnenbildner das Bestmögliche aus der Alten TU-Mensa. Überhaupt geben alle ihr Bestes. Einzige Ausnahme: die Tontechniker. Immer wieder bleibt den Sängern plötzlich der Ton weg. Rückkoppelungen rauschen und pfeifen so abscheulich, daß die Qualität der Musik sich kaum dagegen behaupten kann. Die eingängigen und sehr geschickt arrangierten Songs vermischen Salsa, Samba, Rumba und ein bißchen Rock. Ein Ohrwurm ist allerdings nicht dabei. So sticht die „Esperanza“ heute abend zum vermutlich letztenmal in See. Miriam Hoffmeyer

Heute, 20 Uhr, Alte TU-Mensa, Hardenbergstraße, Charlottenburg