EU-Mitgliedschaft als Einheitsstifter

■ Zypern hofft, mit einem EU-Beitritt die Teilung der Insel zu überwinden. Doch schon die Verhandlungen darüber lehnt Ankara ab

Berlin (taz) – „Glücklich ist, wer von sich sagen kann, er ist ein Türke“. Quadratkilometergroß ist diese Inschrift auf die Südhänge des zypriotischen Kyrenia-Gebirges gepinselt – zur geistigen Erbauung der türkischen Zyprioten, die zehn Meilen hinter diesem Berghang, in Nord-Nikosia, wohnen. Lesen können ihn aber auch die Bewohner von Süd-Nikosia, und die sind keine „glücklichen Türken“, sondern griechische Zyprioten. Nikosia ist die letzte geteilte Hauptstadt der Welt. Im Sommer 1974 eroberte die türkische Armee als Reaktion auf einen Putsch des griechischen Obristenregimes den Nordteil der Insel. Seitdem sind Dutzende UN-Resolutionen verabschiedet, diplomatische Missionen erfolglos beendet und viel nationalistischer Pathos auf beiden Seiten bemüht worden. Einer Wiedervereinigung ist man keinen Schritt näher gekommen.

Auch die angestrebte Mitgliedschaft der Republik Zypern in der Europäischen Union dient wesentlich der angestrebten zypriotischen Einheit. Die griechischen Zyprioten erhoffen sich dadurch einen stärkeren internationalen Schutz und setzen auf das freie Niederlassungsrecht, das in Europa garantiert ist, das die Machthaber im Nordzypern aber bis heute nicht gestatten. Die Demarkationslinie ist ähnlich unüberwindbar wie die Grenzen zu Osteuropa während des Kalten Krieges.

Die ärmeren türkischen Zyprioten wiederum könnten zwar bei einer EU-Mitgliedschaft von den Hilfsfonds der Gemeinschaft profitieren. Doch dem steht die Politik entgegen: Die griechische Republik Zypern gilt als einzig legitime Regierung auf der Insel. Mit einigen Plätzen in der Delegation bei den EU-Beitrittsverhandlungen mögen sich die Türken nicht begnügen. Sie verlangen als Vorbedingung die Anerkennung der nur von Ankara anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“.

Das aber wäre auch die Anerkennung der Besetzung dieses Landesteils und kommt deshalb für die Europäer nicht in Frage. In einer Mitgliedschaft der Republik Zypern in der EU sehen wiederum die zyperntürkischen Machthaber eine Veränderung des Status quo, den sie um jeden Preis verhindern wollen. Die türkische Regierung zeigt sich zudem verärgert, daß Griechenlands Zögling Zypern eine EU-Mitgliedschaft versprochen wird, Ankara dagegen erneut vertröstet wurde. Die türkischen Zyprioten brachen gestern die Gespräche mit ihren griechischen Landsleuten ab. Der Beschluß, die Republik Zypern zu den EU-Beitrittsverhandlungen einzuladen, bedeute das Ende der Verhandlungen, so der zyperntürkische Führer Rauf Denktasch.

Ankara hat deshalb schon wiederholt gedroht, Nordzypern politisch an die Türkei anzuschließen. Das wäre das Ende aller UN-Bemühungen für die Gründung eines Bundesstaates Zypern. Mit einem solchen Schritt würden zugleich die Spannungen zwischen Griechenland und der Türkei weiter wachsen. Athen hat wegen des Zypern-Konflikts mehrfach per Veto EU-Wirtschaftshilfen für die Türkei verhindert.

Dabei sind im Falle Zypern Verhandlungen und Beitritt zwei verschiedene Dinge. Das Verhandlungsversprechen hat Griechenland einst der EU abgetrotzt. Doch wichtige Staaten, darunter Deutschland, lehnen eine Mitgliedschaft Zyperns ab, solange die Insel geteilt ist. Anzunehmen ist deshalb, daß die Verhandlungen zwar 1998 beginnen, sich aber endlos in die Länge ziehen werden. Für die griechischen Zyprioten ein Dilemma: Solange die Insel geteilt bleibt, wird sie kaum EU-Mitglied. Solange Zypern aber nicht der EU angehört, sind die Chancen auf Wiedervereinigung gering. Klaus Hillenbrand