Nato: Osterweiterung ist ganz billig

■ Studie über die Kosten erforderlicher Infrastrukturmaßnahmen in Polen, Ungarn und Tschechien bleibt weiter unter Verschluß

Genf (taz) – Die Nato will ihre Studie über die im Zuge der Osterweiterung erforderlichen Infrastrukturmaßnahmen sowie die damit verbundenen Kosten weiterhin geheimhalten. Damit gefährdet sie möglicherweise die Ratifizierung der Aufnahme Polens, Tschechiens und Ungarns in einigen Parlamenten ihrer bisherigen 16 Mitgliedsstaaten. Generalsekretär Javier Solana hatte noch im September angekündigt, die inzwischen fertiggestellte Studie werde „nicht nur vollständig veröffentlicht“, sondern von den Parlamenten und der Öffentlichkeit in den Nato- Staaten „auch überprüft“. Ein Sprecher des Brüsseler Hauptquartiers erklärte hingegen letzte Woche auf Anfrage, die Studie werde „nicht veröffentlicht“. Statt dessen würden lediglich „wesentliche Schlußfolgerungen der Studie“ in das Kommuniqué der heute in Brüssel beginnenden zweitägigen Sitzung der Nato-Außenminister aufgenommen.

Laut der Nato-Studie werden die Infrastrukturmaßnahmen in den nächsten zehn Jahren für alle künftigen 19 Mitgliedsstaaten insgesamt lediglich 1,5 Milliarden US- Dollar betragen. Diese im November bereits von den 16 Verteidigungsministern verkündete Summe liegt um bis zu 95 Prozent unter den diversen Kostenstudien, die seit Anfang letzten Jahres vorgelegt wurden. Die Summe von 1,5 Milliarden Dollar ist nach Auffassung zahlreicher Beobachter völlig unrealistisch und ihre Verkündung nach Eingeständnis von Mitarbeitern des Nato-Hauptquartiers eine politische Maßnahme, um die Ratifizierung der Osterweiterung in den Parlamenten der bisherigen 16 Mitgliedsstaaten zu sichern.

Die unter Verschluß gehaltene Nato-Studie nennt für die Mitgliedschaft Polens, Tschechiens und Ungarns unerläßliche Infrastrukturmaßnahmen, deren Verwirklichung ein Vielfaches kosten wird. Bei einer Veröffentlichung der gesamten Studie würde deutlich, daß die militärischen Infrastruktureinrichtungen in den drei Beitrittsländern sehr viel weniger Nato-kompatibel sind, als bislang von ihren Regierungen und der Clinton-Administration gegenüber dem Kongreß behauptet wurde. Deshalb sprachen sich auch Warschau, Prag und Budapest gegen eine Veröffentlichung aus.

Mit Kritik reagierten inzwischen Parlamentarier verschiedener Nato-Staaten auf die Geheimhaltung der Studie: „Das tut mir leid, denn das französische Parlament hat dann nicht die notwendigen Informationen, um das Ratifizierungsverfahren einzuleiten“, erklärte der Vorsitzendes des Ausschusses für auswärtige und Verteidigungsfragen im französischen Senat, Xavier de Villepin. Auch nach Einschätzung des britischen Labour-Abgeordneten im Verteidigungsausschuß, Menzies Campbel, ist es „unvorstellbar, daß das Unterhaus die Nato-Erweiterung ratifiziert, ohne Kenntnis der Kosten für die britischen Steuerzahler“. Andreas Zumach