BGS benutzt Taxifahrer als Hilfstruppe

■ Taxifahrer sollen im Grenzgebiet „Illegale“ denunzieren. Ermittlungen gegen 22 Taxiunternehmer, die Ausländer beförderten

Berlin (taz) – Im Zuge der sogenannten Taxi-Prozesse findet heute vor dem Landgericht Görlitz das erste Berufungsverfahren statt. Im Landkreis Löbau-Zittau laufen derzeit gegen 22 der 73 lizenzierten Taxifahrer Ermittlungsverfahren, weil sie illegal eingereiste Ausländer befördert haben sollen. Der Landkreis liegt im Dreiländereck Polen /Tschechien /Deutschland.

Im heute anhängigen Fall war der Taxifahrer Bernd Ludwig in erster Instanz zu einer Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden. Das Gericht hatte es als erwiesen angesehen, daß er wissentlich drei Männer aus dem früheren Jugoslawien als Fahrgäste mitgenommen hatte, obwohl sie keine gültigen Visa besaßen. Zwar fand die Fahrt ausschließlich auf dem Gebiet der Bundesrepublik statt, doch argumentierte die Anklage mit einem 1994 neugeschaffenen Passus im Ausländerrecht, wonach die Beihilfe zu illegaler Einreise und Aufenthalt unter Strafe steht.

Nach Ansicht eines überregionalen Solidaritätsbündnisses versuche der Bundesgrenzschutz (BGS), die Fahndungsmethoden gegen illegal einreisende Migranten an der deutsch-polnischen und deutsch-tschechischen Grenze auszuweiten. „Es gilt zu verhindern, daß das Unrecht von Zittau als neue bundesdeutsche Rechtsauffassung etabliert wird“, heißt es in einer Erklärung der Hamburger Genossenschaft „das taxi“. „Das kann auch genausogut in Bayern passieren“, ergänzte ein Sprecher. Für den ersten Verhandlungstag ist ein Protestkonvoi von Taxifahrern aus Berlin, Hamburg, Zittau und Görlitz geplant.

Erscheinungsbild und andere Auffälligkeiten

Der BGS ist seit geraumer Zeit bemüht, bei der Fahndung nach Flüchtlingen die Unterstützung von Taxifahrern in den grenznahen Gebieten zu gewinnen. Ein BGS-Flugblatt unter dem Titel „Nein zu Schleppern und Schleusern“ appelliert: „Lassen Sie sich nicht von Schleuserbanden mißbrauchen! Nehmen Sie keine offensichtlich illegal eingereisten Personen mit!“ Sonst drohten Geld- und Freiheitsstrafen, Führerschein- und Konzessionsentzug.

Unbeantwortet bleibt nach Meinung von Bernd Ludwig, dessen Fall jetzt in die Berufung geht, wie er den Aufenthaltsstatus seiner Fahrgäste feststellen soll. „Die Konsequenz ist, jetzt werden von 80 bis 90 Prozent der Taxifahrer in der Gegend keine Ausländer mehr gefahren. Die gehen jetzt zu Fuß. Wie soll man das auch unterscheiden, ob jemand sich hier legal oder illegal aufhält?“ Beim Grenzschutzamt Frankfurt (Oder) erklärt Klaus Müller, wer in der Gegend „wohnt und arbeitet, erkennt die typischen Szenarien“. In einer gemeinsam von BGS sowie Industrie- und Handelskammer erstellten Empfehlungsliste wird unter anderem geraten: „Bei Aufnahme der Fahrgäste achten Sie bitte auf das äußere Erscheinungsbild, Kleidungszustand und andere äußere Auffälligkeiten.“ Der Grenzschutz empfiehlt weiter eine „telefonische Kontaktaufnahme über Code: Hierfür sollten die technischen Voraussetzungen der Taxizentralen genutzt werden.“

„Damit wird das Taxengewerbe als fester Bestandteil der menschenverachtenden Abschiebepraxis instrumentalisiert“, kontert das Solidaritätsbündnis. Der BGS nötige Taxler, „Menschen mit fremdländischem Erscheinungsbild bei deutschen Behörden zu denunzieren“, kritisiert Mitinitiator Stefan Weber.

Bernd Ludwig sieht sich im „Widerspruch der Pflichten“. Weise er einen Fahrgast ab, verstoße er gegen den Beförderungsanspruch. „Wir können uns so oder so verhalten – in jedem Fall machen wir uns straffällig.“ Das Straßenverkehrsamt gab ihm mit Schreiben vom 23.4. 1997 einen dezenten Wink: Bei Beschwerden von Fahrgästen, die zu „Unrecht“ nicht befördert worden seien, werde „die Situation entsprechend eingeordnet und entlastend betrachtet werden“. Patrik Schwarz