Carlos verteidigt sich jetzt selbst

Die drei Anwälte des Terroristen protestieren gegen das Verhalten des Vorsitzenden Pariser Richters. Der hatte sich geweigert, zusätzliche Tatzeugen zu laden  ■ Aus Paris Dorothea Hahn

Seit gestern verteidigt sich Ilich Ramirez Sanchez alias Carlos selbst vor Gericht. Seine drei noch verbliebenen Verteidiger verließen das Schwurgericht am zweiten Verhandlungstag unter Protest, nachdem sämtliche Einsprüche vom Vorsitzenden Richter Yves Corneloup abgelehnt worden waren. Zuletzt hatte die Verteidigung vergeblich dafür plädiert, zusätzliche Zeugen zu laden, die Auskünfte über die Tat vom 27. Juni 1977 geben sollten, bei der Carlos zwei französische Geheimdienstagenten sowie einen Libanesen in Paris erschossen haben soll.

Die Zeugen sind der französischen Justiz seit Jahren bekannt. Sie waren 1977 in dem Appartement, in dem die tödlichen Schüsse fielen. In den vergangenen Monaten haben Journalisten mehrere von ihnen interviewt. Dem auf Terrorfragen spezialisierten französischen Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguiere hingegen war es nicht gelungen, ihre Aufenthaltsorte ausfindig zu machen. Ebenfalls als Zeugen laden wollte die Verteidigung einen Exagenten des israelischen Geheimdienstes „Mossad“, der erklärt hatte, daß die Schießerei eine Manipulation seines einstigen Arbeitgebers in Zusammenarbeit mit der französischen Spionageabwehr DST gewesen sei.

Ein weiterer Tatzeuge, der DST-Agent und Terrorspezialist Herranz, der die Schießerei überlebte, ist kurioserweise nie verhört worden. Er verstarb 1991 — ein Jahr bevor Carlos wegen der Angelegenheit zum ersten Mal und in Abwesenheit zu lebenslänglich verurteilt worden war.

Der Angeklagte, der am ersten Verhandlungstag seine Erfahrung mit dem Juristenmilieu gepriesen hatte — „als Kind spielte ich mit den Töchtern von Anwälten und Richtern, später mit ihren Gattinnen“ — dankte seinen Verteidigern für ihren „Mut“. Dann verlangte er den Austausch des Vorsitzenden Richters wegen Befangenheit. Der Prozeß hatte gestern nachmittag noch nicht mit der Verhandlung über den Tathergang begonnen. Auf Antrag der Verteidigung hatte das Gericht zuerst darüber beraten müssen, ob Carlos rechtens in französischer Haft sei. Gestern beschied das Gericht, daß dessen „Auslieferung“ im August 1994 an Frankreich rechtmäßig gewesen sei.