Freiheit für den Fallturm!

■ Studenten aktiv: Sie besetzten den Fallturm und sprangen in die Weser

Mit einer spektakulären Einzelaktion machte die Uni gestern wieder auf sich aufmerksam. Vor der heutigen Großdemonstration wurde gestern gezielt ein „Prestigeobjekt“der Uni ins Visier genommen: der 110 Meter hohe Fallturm des „Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie“. Nachdem der Boykott des Lehrbetriebs in der Öffentlichkeit „weitgehend ungehört“geblieben sei, so hatten die StudentInnen des AStA gefordert, müsse man den Streik nun auf den Forschungsbereich ausweiten.

Mit Ketten und Tauen waren 50 Studierende um 6.45 Uhr vor dem Fallturm angerückt und verriegelten noch vor Dienstbeginn die zehn Eingänge des Forschungsinstitutes. Mit ihrem Transparent „Konfrontation statt Kooperation“nahmen sie die „Verwertungslogik der universitärten Forschung“auf's Korn: Diese basiere auf den Profit-Interessen der Unternehmen, so der Uni-AStA. Insgesamt sechs Stunden lang besetzten die StudentInnen den Fallturm. Die 100 Mitarbeiter des Instituts, die gemeinsam mit ihren Kontrahenten vor den blockierten Türen des Turms bei eisigem Wind ausharrten, wurden um 10.30 Uhr von der Firmenleitung nach Hause geschickt. Einige wenige Mitarbeiter hatten zuvor versucht durch die Fenster in ihre Forschungslabors zu kommen, wurden daran aber erfolgreich gehindert. Zu größeren Auseinandersetzungen kam es nicht. Zwei Polizisten drehten drei Runden um den Turm und kommentierten die Aktion mit einem aufmunternden „Macht mal“.

In dem Turm des Bremer Zentrums für angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation finden normalerweise Schwerelosigkeitsexperimente statt. Zu Sachbeschädigung kam es während der Besetzung nicht – nur ein wenig Strom für die heißlaufende Kaffeemaschine wurde abgezapft. Zwei Abwurf-Experimente konnten nicht vorgenommen werden. „Da können wir nichts machen. Aufregen bringt doch nichts“, sagt der stellvertretende Institutsleiter Dr. Hans-Jörg Dittus eher gelassen. „Schließlich gibt es auch andere Tage, an denen nicht gearbeitet werden kann, bei Wartungsarbeiten etwa.“Dittus schätzt den Umsatzausfall für die private Fallturmbetriebsgesellschaft auf über 10.000 Mark.

Die Blockade dieser Forschungs einrichtung war gestern eine von vielen Aktionen, um im winterlichen Bremen die Stimmung anzuheizen. „Solidarität ist eine Suppe...!“: StudentInnen verteilten Suppe und Brot am Hauptbahnhof ; „Uni geht Baden, wir springen in die Weser!“: angehende Physiker testeten Kältegrade am Café Sand; und bei den Söge-Schweinen ließen „Chemie-Erstis Passanten bittere Pillen schlucken“.

Heute nun setzt der Bremer Uni-Streik mit einer Großdemo ab 11.45 Uhr erneut auf die Massen. Erstmals werden sich auch die Bremer Schulen an dem Protestzug offiziell beteiligen. Mit zwei Aufzügen wollen sie „gegen Bildungsklau, Sozialabbau und Unterdrückung“agitieren. „Das Elend fängt nicht erst mit dem Studium an“, so Thomas Ehmke vom Vorstand der GesamtschülerInnen-Vertretung in Bremen. Am Bahnhof treffen sie sich um 13 Uhr mit den Studenten der Hochschulen auf ihrem Weg zum Neuen Markt in der Neustadt, wo die Abschlußkundgebung stattfindet. Die Polizei erwartet knapp 2000 Teinehmer. Mit der gemeinsamen Demonstration wird dann vielleicht ja auch die Auseinandersetzung zwischen den ASten von Hochschule und Uni beigelegt: Gestern zumindest ging der Streit um die allgemeinpolitische Forderung des Uni-AStA 'Schafft die Ausländergesetze ab!' noch munter weiter.

ce/ritz