Anklage gegen Thyssen-Chef rollt

■ Wegen verschwundener Millionen bei Abwicklung von DDR-Firma. Thyssen AG versucht Einfluß auf das Berliner Verfahren zu nehmen

Berlin (taz/AP) – Ausgerechnet in der entscheidenden Phase des Machtkampfes um den Chefposten des geplanten Stahl- und Maschinenbaugiganten Thyssen- Krupp hat die Berliner Staatsanwaltschaft gegen den 56jährigen Manager Anklage wegen Untreue erhoben. Vogel soll dafür verantwortlich sein, daß sein Unternehmen von der Treuhand zu Unrecht rund 37 Millionen Mark für die Schulung von Mitarbeitern der früheren DDR-Außenhandelsfirma Metallurgiehandel (MH) kassierte. Diese Mitarbeiter sollen teilweise gar nicht mehr bei MH gewesen sein. Andere Kurse sollen zwar nicht stattgefunden haben, aber berechnet worden sein.

Haftbefehle gegen einige Thyssen-Manager wurden bereits August vergangenen Jahres ausgestellt. Vogel ist nur auf freiem Fuß, weil der Thyssen-Konzern 2,5 Millionen Mark Kaution für ihn bezahlt hat. Er war in Nachwendezeiten Chef der Thyssen Handels Union und als solcher auch mit der Abwicklung der Metallurgiehandel GmbH beschäftigt. Das war ein Konzern aus dem Reich Kommerzielle Koordination von Schalck- Golodkowski mit einem Umatz von jährlich 30 Milliarden Ostmark. Thyssen übernahm die Firma von der Treuhand.

Für die Geschäftsführung der MH-Geschäfte stellte Thyssen 25 Prozent des Gewinns in Rechnung. Und prompt schnellte der Gewinn nach oben: von einem Verlust von 190 Millionen Mark im Jahr 1990 auf plus 247 Millionen Mark ein Jahr später. Das schien wohl selbst der Treuhand übertrieben abgezockt. Sie kündigte den Vertrag. Später zahlte die Thyssen der Treuhand eine geheimgehaltene Summe als Ausgleich. Und schließlich nahm die Staatsanwaltschaft Berlin eigentlich schon eingestellte Ermittlungen wegen der doch etwas zu kreativen Bilanzierungsmethoden wieder auf.

Dieter Vogel geht nun gegen die Staatsanwälte vor. Noch bevor die Anklage beim Berliner Landgericht einging, informierte der Konzern die Öffentlichkeit. „Die Anklage ist rechtlich und tatsächlich unbegründet“, betonten seine Anwälte. Justizkreise lassen durchblicken, daß von politischer Seite versucht worden sei, Einfluß zu nehmen. Anwalt Volker Hoffmann betont: „Wir haben vor kurzem an zuständiger Stelle eindringlich auf die offensichtlich mangelnde Objektivität der Ermittlungen gegen Dr. Vogel hingewiesen.“ Offenbar aus Sorge vor einem Erfolg dieses Vorstoßes habe die Staatsanwaltschaft ihre Schlußverfügung beschleunigt. rem