„Solche Entscheidungen stehen ihnen nicht zu“

■ Die Washingtoner UNO-Expertin Phyllis Bennis hält es für „grundsätzlich gefährlich“, daß Staaten oder die Vereinten Nationen sich abhängig machen von der politischen Agenda reicher Spender

taz: Frau Bennis, Sie haben nach Ted Turners Spende an die UNO in der US-Presse vor einer Tendenz zur Privatisierung von UNO-Aufgaben gewarnt. Werden die Blauhelme womöglich in Zukunft Sponsorentrikots tragen müssen?

Phyllis Bennis: Ich sehe da durchaus eine Gefahr. Die UNO könnte als Forum multinationaler Entscheidungsprozesse zunehmend schwächer werden und in wachsende Abhängigkeit von der Wohltätigkeit privater und wirtschaftlicher Organisationen geraten. Nehmen Sie zum Beispiel Ted Turner, dessen Motive ich für integer halte und der ja betont hat, er wolle sich nicht in Entscheidungsprozesse der UNO einmischen. Genau das tut er aber, wenn er mit seinem Geld eine Stiftung zur Verwaltung des Geldes ins Leben ruft. Leute außerhalb der UNO werden also darüber befinden, welches der UNO-Projekte Geld bekommt, die mangels Beiträgen aus Washington alle in großen Nöten sind. Vielleicht entscheiden sie sich für Flüchtlings- oder Umweltprojekte, aber gegen Entwicklungsarbeit. Solche Entscheidungen stehen ihnen aber nicht zu.

Solange sie das Geld haben, sehen die das wohl anders. Nun hat UNO-Generalsekretär Kofi Annan jüngst selbst erklärt, die UNO müsse „offener“ mit „zivilgesellschaftlichen Organisationen und Repräsentanten“ kooperieren.

Das war noch sehr vage formuliert. Aber Kofi Annan ist ein sehr pragmatisch denkender Mann. Ihm ist die drohende Nähe der UNO zum Bankrott durchaus bewußt. Er wird tun, was in seinen Augen getan werden muß, um die Organisation am Leben zu erhalten. Aber das Problem ist doch folgendes: Wir leben in einer Welt, in der Privatpersonen über mehr Reichtum verfügen als die Hälfte der Nationen. Es ist zu begrüßen und völlig angemessen, wenn diese Privatpersonen einen Teil ihres Reichtums an internationale Organisationen spenden. Aber das müßte durch eine nationale Besteuerung, zum Beispiel von Finanztransaktionen, geschehen. Der Erlös sollte dann an die UNO überwiesen werden.

Viele Geldgeber würden entgegnen, daß die UNO ein Wasserkopf ist und das Geld durch private Stiftungen viel effizienter eingesetzt werden kann.

Ich will wirklich nicht in Abrede stellen, daß bei der UNO wie bei allen riesigen Organisationen Mißstände herrschen, die bekämpft werden müssen. Die These von der aufgeblähten, unbeweglichen UN- Bürokratie jedoch halte ich für ein Märchen, das gerade in Washington ständig wiederholt, aber dadurch nicht wahrer wird. Die UNO mit ihren unzähligen Aufgaben in der ganzen Welt beschäftigt in ihrem Verwaltungsapparat weniger Menschen als der Bundesstaat New Mexico. Und der hat gerade mal 1,7 Millionen Einwohner.

Auf den nationalen Rahmen bezogen: Kann George Soros effizienter Auslandshilfe und -politik betreiben als das US-Außenministerium?

Ich sehe das ähnlich wie bei Turner. Soros steckt Hunderte Millionen in die ehemaligen Ostblockstaaten, um Demokratie und Pluralismus zu fördern. Schön und gut. Aber die Entscheidungen, was wichtig und notwendig ist, trifft ganz allein er. Daß Staaten oder die UNO von Privatspendern und deren politischer Agenda abhängig werden, halte ich grundsätzlich für gefährlich. Nun beobachten wir diese Verlagerung staatlicher oder multilateraler Entscheidungskompetenz an nichtstaatliche Organisationen in den USA schon seit ein paar Jahren. Die Auslands- und Entwicklungshilfe ging 1993 noch zu 17 Prozent an nichtstaatliche Organisationen, die sie im Ausland eingesetzt haben. 1995 waren es schon 30 Prozent – Tendenz steigend. Auch das ist Geld, das Einrichtungen wie dem UNO-Flüchtlingskommissariat oder UNICEF fehlt. Dadurch werden die Chancen geringer, in humanitären Krisensituationen schnell und koordiniert zu reagieren.