Abfall! Lärm! Kunst!

■ Kampnagel als Kulturfabrik: Bastiaan Maris präsentiert in The Heater eine postindustrielle Klangmaschine, Christian Wolz keucht seine Variation 20

Keith Flint von den Technorockern Prodigy mag sich im Habitus des Derwisches noch so gut gefallen: Der bessere „Firestarter“ist ohne Zweifel Bastiaan Maris. Abgesehen von einigen Ausflügen ins Reich der Obskuritäten – darunter ein Hochgeschwindigkeits-Würstchenwerfer – beschäftigt er sich mit den verschiedenen Möglichkeiten, Maschinen mittels „heftiger chemischer Reaktionen“verschiedene Geräusche zu entlocken. Propangas, Stahlrohre, Funken: Mit ein bißchen Glück und viel Geschick läßt sich daraus nicht nur eine Rohrbombe, sondern auch eine „Large Hot Pipe Organ“basteln. Diese Höllenmaschinerie, zehn Meter hoch, feuerspuckend, röhrend, machte Maris 1993 bekannt. Jetzt zeigt Kampnagel sein neuestes Projekt: „The Heater“.

Das Innere meterlanger Stahlungetüme wird durch Gasbrenner erhitzt und zum Schwingen gebracht. Überall rauscht und kracht es, darüber entstehen die seltsamsten Obertöne und darunter so tiefe Beats, daß sie schon gar nicht mehr gehört, sondern nur über die Haut aufgenommen werden können. Der Effekt auf das Publikum wird als „hypnotisch“beschrieben. Man könnte „The Heater“als den Punkt sehen, in dem Techno seine Verbindung zum Schamanismus und Alchemismus offenlegt.

Interessanter ist es, über Kampnagel und Maschinen nachzudenken. Maris behauptet, daß „Maschinen erst dann interessant werden, wenn sie keine Funktion mehr zu haben scheinen“. Das erscheint wie ein Kommentar zu Matt Heckerts „Mechanical Sound Orchestra“, das vor einem Jahr auf Kampnagel zu bestaunen war. Heckert ließ damals unter anderem zwei Stahlringe endlos aufeinander kreisen. Pervers erscheint diese Sorte Maschine, weil sie ihre eigentliche Aufgabe, die materielle Produktion, verweigert und statt dessen den Ausschuß, den Abfall, den Lärm feiert. Der Ausschuß wird als Überschuß freigesetzt, als Ort der Produktion von Bedeutung. Die postindustrielle Maschine läßt sich verstehen als konkrete Form der Bewegung, die Kampnagel vollzogen hat: ehemals Stätte materieller, jetzt Ort kultureller Produktion.

Im zweiten Teil des Abends wird der Stimmkünstler Christian Wolz einen Überblick über sein Schaffen geben. Er entnimmt seine Vokaltechniken der Psychiatrie: Glossolalien, Neologismen und eine selbsterfundene Sprache bieten sich als ein undurchdringliches System von Bedeutungen an. Präsentiert wird dieser Exzeß der Stimme in kompletter Dunkelheit. Körperlos, ohne Halt.

Matthias Anton

Do, 18. + Sa, 20. Dezember,

21.30 Uhr, K1