Ein untreuer Kamerad?

■ Staatsanwaltschaft klagt ehemaligen HSV-Schatzmeister Jürgen Engel an

Sieben Monate wurde ermittelt, gestern dann Vollzug gemeldet. Per Presseerklärung teilte die Staatsanwaltschaft mit, daß sie gegen den Ex-HSV-Schatzmeister Jürgen Engel Anklage wegen Untreue erhoben habe: „Wir gehen von einer strafbaren Handlung aus.“Der Angeklagte ließ durch seinen Anwalt verbreiten: „Ich fühle mich unschuldig.“

Dem am 30. Mai dieses Jahres wegen der Untreuevorwürfe zurückgetretenen Engel wirft die Anklage vor, beim 19,6 Millionen Mark teuren Ostimmobilien-Deal des Noch-Bundesligisten 993.000 Mark an Provision – 200 Mark je Quadratmeter – kassiert zu haben. Der langjährige Freund des HSV-Vorsitzenden Uwe Seeler habe gewußt, daß sich der Kaufpreis für die Steuerspar-Objekte um seine Provisionssumme erhöhen würde.

Die Staatsanwaltschaft geht von einem Alleingang des 61jährigen Engel aus. „Wir haben keine Belege, daß andere beteiligt waren“, erklärte gestern Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft, gegenüber der taz. „Die 993.000 Mark sind auf seinem Konto eingegangen.“Man habe jedoch „keine Kenntnisse“, was der vermögende Hotelier mit dem Geld vorhatte. „Motivationssuche haben wir nicht betrieben“, so Bagger. Eine etwaige schwarze Kasse beim HSV sei „Spekulation“.

Auch Vereinschef Seeler sieht in Engel, der seit Monaten aus der Öffentlichkeit abgetaucht ist, den einzig Schuldigen: „Für den HSV ist die Sache erledigt.“Das stimmt nicht ganz. „Sollten Provisionen geflossen sein, werden wir prüfen, ob wir Erstattungsansprüche gegen Engel geltend machen können“, sagte HSV-Geschäftsführer Werner Hackmann.

Mit dem Prozeßbeginn ist in drei bis sechs Monaten zu rechnen, der Strafrahmen reicht bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Strafmildernd könnte es sich für Engel auswirken, sollte er der – wie spekuliert wird – anonyme Käufer sein, der vergangenen Juni die drei Ostobjekte zum Einstandspreis vom HSV erwarb.

Clemens Gerlach