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Die Fugees in Fischerhude

■ Wenn die Pop-Musik kommt und Mädchen wild und gefährlich werden: Das Frauen-Rockmobil ist zu Besuch

In Fischerhude wurde der Rock'n'Roll sicher nicht erfunden. Verschlafen liegen die schönen Bauernhöfe zu beiden Seiten der Hauptstraße. Nicht viel los, wenn man jung ist und „wild und gefährlich“sein möchte.

Neben der örtlichen Grundschule liegt das Jugendhaus Fischerhude-Quelkhorn. Hier tobt normalerweise das pralle Teenager-Leben. In dieser Woche aber kam der meiste Krach aus dem benachbarten Schulgebäude. Dort war der Musikraum mit seltenem Gerät okkupiert worden: Wild verstreut zogen sich allerlei Kabel durch das Klassenzimmer, und seltsam surrten die Gitarren-Verstärker vor sich hin.

Auf Initiative der Sozialpädagogin Frauke Schärff war das niedersächsische „Frauen-Rockmobil“vorgefahren und hatte all diese Kostbarkeiten mitgebracht. Fünf Mädchen am schweren Gerät plus drei Freundinnen begrüßten nun ihr erstes Publikum mit schaurig schönen Cover-Versionen. „Breakfast at Tiffanies“war einer der Radiohits, den sie zum besten gaben. In nur wenigen Stunden eingeübt holperte das Schlagzeug zwar noch etwas hinterher, ließ das angepeilte Lied aber doch schon erkennbar werden.

Routiniert wechselte Angie Baldauf ihren Beistand bei den Einsätzen, wenn sie einen hilflosen Blick wahrnahm. Seit fünf Jahren gibt es das Rockmobil der Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Rock, das vom Frauenministerium gefördert wird, und seit einem Jahr ist sie als freie Mitarbeiterin dabei. Selbst Keyboarderin bei mehreren hannoverschen Bands ist sie sonst auf Country-Musik spezialisiert. Aber Angie Baldauf kennt sowohl alle mitgebrachten Instrumente als auch die Lieblingshits der Mädchen.

„Manche von diesen Songs kann ich echt nicht mehr hören“, gibt sie unumwunden zu. Trotzdem wird gespielt, was den Mädchen Spaß macht, von der „Kelly-Family“bis zu den „Fugees“. Es sei denn, die Akkorde sind zu kompliziert. Keine der 14- und 15jährigen konnte vorher Gitarre spielen. Aber Verlegenheit war nicht zu spüren. Hier wurde zwei Tage lang gearbeitet.

Zwei der Teilnehmerinnen waren schon einmal dabei, als das Rockmobil zur Mädchenwoche in Posthausen gastierte. Die eine weiß seither genau, was sie will: „Schlagzeug spielen! Aber meine Eltern erlauben das nicht.“Davon ist man überzeugt, als sie begeistert und ziemlich laut auf die Becken eindrischt.

Im ganzen Landkreis gibt es keinen Übungsraum in den Freizeitheimen. Insofern erübrigt sich auch das Thema von Mädchen-Übungszeiten, wie sie in Bremen teilweise angeboten werden. Wenn die Mitarbeiterinnen des Rockmobils kommen, können sie also immer wieder nur Grundsätzliches vermitteln. „Inzwischen gibt es ein paar feste Gruppen, wo man auch mal kontinuierliche Aufbauarbeit leisten kann“, sagt Angie Baldauf.

Ansonsten geht es ihr darum, den Einstieg in handgemachte Musik anzubieten. Deshalb darf der Name „Rockmobil“schon ein bißchen altmodisch klingen. „Es gibt zwar inzwischen mehr Frauen in der Musik, aber leider wenig gute Instrumentalistinnen“, sagt sie. Außerdem soll die Angst vor der Technik genommen werden. „Ganz viele Frauen spielen Akkustik-Gitarre, aber eine E-Gitarre würden sie nicht in die Hand nehmen.“Zu laut? Zu kompliziert? Bei Angie Baldauf mußten die Mädchen das mitgebrachte Equipment, Verstärker, Instrumente und das Mischpult immerhin selbst aus dem Bandbus schleppen und anschließen.

„Stand by me“sollten wir am Ende noch über uns ergehen lassen. Nicht gerade zum Ohren-zuhalten, aber bis zum kunstvollen Gitarren-Verzerrer ist es noch ein weiter Weg. Vor Feierabend wurde dann erstmal „Maccen gefahren“: die ganze Truppe rein in den Bandbus und schön Pommes essen beim Fast-Food-Giganten im Nachbardorf. „No, I won't be afraid ...“plärrte die erste Aufnahme, und alle kichern ein bißchen. Als nächstes sollte es doch was von den „Kellies“geben. Helene Hecke

Kontakt: LAG Rock unter der Telefonnummer (0511) 35 16 08

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