Die im Flutlicht sieht man nicht

■ Trotz desillusionierendem 0:4 und DFB-Pokalaus gegen Titelverteidiger VfB Stuttgart plant Ganzfeldlibero Pele Wollitz „zackzack“ den Wiederaufstieg des KFC Uerdingen in die Bundesliga

Grotenburg (taz) – Ja, Uerdingen! Ja, den ungeliebten KFC mit den klubtypischen Fahrstuhlturbulenzen (Bundesliga-Rekordaufsteiger und -Rekordabsteiger) gibt es nach wie vor. Derzeit in Liga 2 nach wochenlanger Tabellenführung gerade auf Platz 4 abgerutscht. Aber im DFB-Pokal, gegen den Titelverteidiger VfB Stuttgart, da schlägt die Begeisterung hoch: Fußballfreunde, seht auf diese Stadt! 8.784 Schaulustige kamen persönlich, um zu sehen. Die Grotenburg war damit im Viertelfinale fast zu einem Viertel gefüllt.

Häufigster Wunsch im eisigen Rund hinter dicken Mützen und vielen Schals: „Bloß keine Verlängerung!“ Das ist Krefelder Fußball-Euphorie: ankommen, um nicht allzu lang bleiben zu müssen. Solche Tristesse deckt sich tragischerweise mit dem sportlichen, medialen und finanziellen Showdown des Pokalwettbewerbs. Einen wie KFC-Kapitän Claus-Dieter Wollitz frustrieren leere Ränge besonders: „Ich bin ratlos. Die Lichter in Krefeld gehen an, und keiner geht hin.“

Gerechterweise muß man die Besucherzahl mit Windchill-Faktor multiplizieren; dann war das Stadion quasi ausverkauft. Krefelder Saisonrekord sowieso. Es sind solche Begegnungen, in denen Kräfte wie Wollitz (32) noch einmal in den Mittelpunkt rücken. Seit Ewigkeiten gilt er als Starspieler der 2. Liga und wird wegen großer Kunstfertigkeiten am Ball seit ähnlich langer Zeit – betont auf erster Silbe – Pele genannt.

Wollitz: schlampertes Genie auf säbeligen O-Beinen, Kampfschwein, Großmaul und schwieriger Gesell, der indes mit großer Leichtigkeit Freistöße wie ein Niederrhein-Balakow schießt, der aus der Türklinkenstadt Brakel stammt und sich schon bei unzähligen Klubs die Klinke in die Hand gab: Schalke, Hertha, Lautern, Leverkusen, Osnabrück, Wolfsburg... Beim KFC ist er alles in einer Person: guter Geist, Führungsspieler, Chefanalytiker, Kapitän, sogar „unser Auflaufmodell“, wie ihn Karikaturist Jari in der Stadionzeitung nennt.

Gerade hat Wollitz den Vertrag bis Zweitausendund verlängert, danach soll er im Management des Klubs wirken. Jetzt ist er noch rechte Hand des emsigen Trainers Jürgen Gelsdorf. Der hatte nach drei mühseligen Auswärtsauftritten seinen vielen jungen Hüpfern gesagt: „Geht raus und genießt das Spiel, dafür habt ihr drei Runden lang hart gearbeitet.“

Und sie gingen, und sie genossen. Sie kombinierten und spielten schön, obwohl mehrfach ersatzgeschwächt angetreten, sie zeigten sich technisch erstaunlich versiert, schnell, offensiv, mit viel Risiko und „viel spielerischem Potential“, wie VfB-Coach Löw fand. Dirigiert von ihrem Pele, der als offensiv-defensiver Allesspieler eine Art Ganzfeldlibero gab. Aber die armen Nacev, Wedau, Lars Müller und der A-Jugendliche Spizak, sie trafen nicht.

Der VfB zeigte, besonders nach Akpoboris früher Führung, beste Voraussetzungen, ein solches Match pokalgesetzestreu noch zu verlieren: unterschätzensstark, unaufmerksam, lässig und zweikampffaul. Besonders Berthold (Wie lange nimmt der noch einem anderen den Arbeitsplatz weg?) [Anm. des Red.: Solange er besser ist.] und Poschner, der vom quicken Australier Middleby, Neuzugang vom SV Wollongong City, reichlich gekreiselt wurde.

Turbulente 120 Sekunden nach dem Wechsel entschieden. Da hatten die Krefelder zwei Riesenchancen und Schwabens Gelegenheits-Nationalstürmer Bobic zwei halbe. Statt 2:1 stand es 0:3. KFC- Drittliga-Neuzugang van der Ven: „Der Unterschied zwischen 1. und 2. Liga hat sich in den individuellen Fehlern gezeigt.“ Eigentlich war es ein Unterschied zu Liga 4: Denn Bobic-Decker Guido Schmitz spielt sonst in der Oberliga. Pele Wollitz sprach davon, daß „einige sich gleich verbuddeln“. Keiner „wie die Stiere drauf“ gehe. Eigentlich ist er längst viel weiter: „Damit eins klar ist: Ab Februar, da sind hier alle Nebensächlichkeiten weg. Da gibt's nur noch Fußball. Dafür werde ich sorgen. Und dann geht's aufs Treppchen, zackzack: Platz 3, Platz 2 oder Platz 1.“ – Damit wäre der KFC Uerdingen wieder in der Bundesliga. Mit einer erfreulich frischen, spielstarken Mannschaft. Und mit Pele. Ob der auf seine alten Tage noch mal Erstligareifes zustande bringt? Bernd Müllender

KFC Uerdingen: Bade – Schmitz, Radschuweit (31. van Buskirk) – Grauer – Wedau, Wollitz, Nikolic, Nacev – Müller (65. Spizak), van der Ven (65. Staar), Middleby

VfB Stuttgart: Wohlfahrt – Verlaat – Schneider, Berthold – Djordjevic (63. Becker), Soldo, Balakow, Yakin, Poschner (57. Hagner) – Bobic (78. Raducioiu), Akpoborie

Zuschauer: 8.784; Tore: 0:1 Akpoborie (19.), 0:2 Bobic (51.), 0:3 Bobic (53.), 0:4 Hagner (90.)