Heftiger Streit in Israels Kabinett

■ Der geplante Rückzug aus dem Westjordanland stellt Netanjahus Regierung vor eine harte Zerreißprobe. Der Ministerpräsident spielt auf Zeit. Sein Außenminister droht mit Sanktionen

Jerusalem (AFP/taz) – Israels Außenminister David Levy hat gestern damit gedroht, Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nicht zum Treffen mit US-Außenministerin Madeleine Albright am heutigen Donnerstag in Paris zu begleiten. Levy verlangt, daß das Kabinett zuvor den genauen Umgang des nächsten Teilrückzugs aus dem Westjordanland festlegt. „Wir müssen mit detaillierten Ideen zur Wiederbelebung des Friedensprozesses nach Paris gehen“, sagte Levy im israelischen Rundfunk. Seine Entscheidung hänge jetzt vom Ausgang eines Gesprächs ab, das Netanjahu gestern mit Infrastrukturminister Ariel Scharon führen wollte.

Scharon ist ein grundsätzlicher Gegner des Truppenabzugs. In einer lautstarken Kabinettssitzung nannte er die Rückzugspläne gestern erneut eine „Gefahr für die nationalen Interessen“ Israels, der er sich „bis zum letzten“ widersetzen werde. Im Gespräch mit Albright will Netanjahu nach Angaben aus Regierungskreisen lediglich eine Karte vorlegen, auf der in etwa zu erkennen sein soll, aus welchen Gebieten Israel sich zurückziehen will. Die Groß-Israel-Fraktion in der Knesset drohte Netanjahu unterdessen erneut mit einem Sturz der Regierungskoalition, sollte er auch nur einen Zentimeter des Westjordanlandes räumen. Netanjahu will mit seiner Verzögerungstaktik vor allen Dingen vermeiden, daß der Streit über die Rückzugspläne die bevorstehende Verabschiedung des Haushalts 1998 belastet. Nach Informationen des israelischen Fernsehens will die Regierung deshalb erst im Januar den genauen Umfang des Rückzugs festlegen. Nach Presseberichten sind die USA bereit, Netanjahu diese Frist einzuräumen.

Während Scharon den Palästinensern in den Abschlußverhandlungen 30 Prozent zugestehen will, sieht ein Plan von Verteidigungsminister Jitzhak Mordechai die Übergabe von 45 Prozent des Westjordanlandes an die Palästinenser vor. Die Palästinenser verlangen jedoch schon vor Beginn der Abschlußverhandlungen mindestens 90 Prozent des Westjordanlandes. Derzeit kontrollieren sie nur etwa drei Prozent des Gebiets. 73 Prozent unterstehen noch der vollständigen Kontrolle Israels, über den restlichen Teil übt Israel die Sicherheitskontrolle aus.