Trickserei gegen den Fluglärm

■ Häfenausschuß umgeht veraltetes Bundesgesetz: Lärm-Schutzzone um Flughafen bleibt per Bauleitplanung erhalten / Bürgerini kritisiert falsche Zahlen und spricht von Schönfärberei

Die Fluglärm-Schutzzone II rund um den Bremer Flughafen soll nicht verkleinert werden. Zu dieser einhelligen Meinung kam gestern der Häfenausschuß. Auch der Geschäftsführer der Flughafen GmbH, Manfred Ernst, schloß sich diesem Votum an. Vermutlich muß die Zone, in der der Dauerlärm maximal 67 Dezibel erreichen darf, nach dem Bundes-Fluglärmgesetz aber doch verkleinert werden. Darum griffen die Ausschußmitglieder zu einem Taschenspielertrick. Über die Bürgerschaft soll Bausenator Bernt Schulte (CDU) aufgefordert werden, die bisher geltenden Vorschriften – etwa nach Schallschutzfenstern oder –türen – im bisherigen Umfang zu erhalten, indem er für das Gebiet eine entsprechende Bauleitplanung aufstellt.

Anlaß für das Verwirrspiel sind Prognosen, nach denen der Dauerfluglärm in Bremen trotz steigenden Verkehrs um mehr als vier Dezibel sinken wird. Dann greift Paragraph 4 des Fluglärmgesetzes, und die Zone muß verkleinert werden. Daran hat aber selbst die Flughafen GmbH kein Interesse. „Damit schaffen wir nur Konfliktpotential mit Anwohnern. Ursprünglich ist auch das Gesetz nicht in diese Richtung verabschiedet worden. Es soll Bürger vor steigendem Fluglärm schützen – nicht vor sinkendem durch leisere Flugzeuge“, so Geschäftsführer Ernst.

Das will auch Häfensenator Uwe Beckmeyer (SPD) verhindern. Grund: In der Schutzzone II gelten verschärfte Bebauungsvorschriften, was den Lärmschutz anbelangt. Ein Vorrücken „von auflagenfreien Wohngebieten Richtung Flughafen würde den Airport wieder in der Akzeptanz schwächen“, so der Senator. Betroffen wären vor allem Huckelriede, Arsten, Kattenturm, Kirchhuchting und Stuhr.

Beckmeyer riet aber davon ab, die alte Lärmschutzzone per Sondergenehmigung über den Bundesrat zu erhalten. „Dagegen könnten Hausbesitzer klagen, deren Grundstücke in einer auflagenfreien Zone natürlich mehr Wert haben.“Darum brachte Beckmeyer den Umweg über das Bauressort ein.

Grundsätzlich gibt es um Flughäfen zwei Schutzzonen. In der ersten ist neue Wohnbebauung nicht zugelassen. Das umfaßt in Bremen aber nur das Flughafengelände. In Zone II dürfen Wohnungen nur mit entsprechenden Schallschutzmaßnahmen errichtet werden.

Die Interessengemeinschaft Flughafengeschädigter reagierte auf den Beschluß mit vernichtender Kritik. Laut Christian Kahler sind die Lärmbelästigungen durch den Flughafen nicht gesunken. „Diese Prognosen beruhen auf falschen Daten und sind reine Schönfärberei. Der Lärm ist seit 1989 stets gestiegen.“Zudem würden immer mehr Maschinen wegen günstiger Winde gen Osten starten. Habenhausen, Kattenturm und Huckelriede würden noch stärker belastet.

Er vermutet hinter dem Beschluß des Ausschusses eher eiskaltes Kalkül der Flughafengesellschaft und des Häfensenators: „Es ist zu erwarten, daß die Grenzwerte im Fluglärmgesetz bald angehoben werden, um Bürger effektiver zu schützen. Dann müßten, wenn jetzt die Schutzzone II verkleinert würde, später ganze Wohngegenden schallschutzmäßig nachgerüstet werden. Und das könnte die Flughafengesellschaft oder das Land – je nach neuer Gesetzeslage – Millionen Mark kosten.“Nach Kahlers Auffassung müßte die Schutzzone stattdessen jetzt schon ausgedehnt werden, um Anwohner vor dem ständigen Dauerlärm zu schützen. „Aber darum geht es den Verantwortlichen nicht.“ Jens Tittmann