Signora Boß geruht zu befehlen

Noch aus dem Krankenwagen warnte Mafiachefin Maria Buccarella ihre Komplizen. Die Festnahme der Clanführerin eröffnet erneut die Debatte um die Rolle der Frauen in Italiens kriminellen Organisationen  ■ Von Werner Raith

Rom (taz) – Der Polizeibericht liest sich fast wie das Drehbuch einer Krimiserie: Als die Ordnungshüter vor dem Morgengrauen anrücken und das Haus umstellen, lenken drei Leibwächter die Beamten ab und schließen den Strom fürs ganze Haus kurz, so daß die verdutzten Polizisten sich im Korridor nicht mehr zurechtfinden, während sich ihr Oberhaupt durchs Fenster in den Hof plumpsen läßt.

Nur sind die Handelnden bei dieser Inszenierung nicht wie sonst hartgesottene Mafiosi und ein schlitzohriger Boß, sondern allesamt Frauen. Drei Leibwächterinnen, alle etwa 30 Jahre alt, hatten die seit Monaten untergetauchte Maria Rosa Buccarella, bewacht, und nur dem ungünstigen Aufprall und dem daraus resultierenden Rückenwirbelbruch ihrer 53jährigen Chefin war es zu verdanken, daß das Quartett am vergangenen Mittwoch im Knast landete. Ermittlungsvorhalt: Erpressung und Raubüberfälle, Aufbau von Schutzgeldringen sowie Anstiftung zum Mord.

Maria Rosa Buccarella ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft in Brindisi eine Chefin der dortigen „Sacra Corona Unita“, der apulischen Mafia. Abgehörte Gespräche ergaben, daß die Frau sogar ohne Schwierigkeiten hochrangige Bosse anderer Clans abstrafte und auch „grenzüberschreitende“ Aktionen in den Schutzzonen konkurrierender Gruppen organisierte.

„Daß sie die Frau eines einsitzenden Bosses ist“, erklärt der Polizeibericht, „spielte nur am Anfang ihrer Karriere ein Rolle; mittlerweile hat sie sich weitgehend von ihm emanzipiert und schaltet und waltet wie ein richtiges Oberhaupt der Sacra Corona Unita.“ Die Festnahme von Maria Rosa Buccarella eröffnet erneut die Debatte um die Rolle der Frauen in Italiens kriminellen Organisationen, insbesondere innerhalb der Mafia.

Während im Milieu des Stadtgangstertums von Neapel Frauen von jeher eine große Rolle spielen, galten sie in der Mafia traditionell als zu plaudersüchtig und gefährlich, als daß man sie in die Geheimnisse der „ehrenwerten Gesellschaft“ eingeweiht hätte.

Undenkbar waren in der Mafia Siziliens und Kalabriens, aber auch in der Apuliens, Frauen wie Pupetta Maresca, die in den siebziger Jahren nach dem Mord am mutmaßlichen Mörder ihres Verlobten an die Spitze eines Camorra-Clans an der Peripherie Neapels aufstieg. Oder Rosetta Cutolo, Schwester des seit mehr als 20 Jahren wegen vielfachen Mordes einsitzenden Gründers der „Nuova Camorra Organiozzata“, die die Geschäfte des Bruders wie eine Topmanagerin weiterführte, bis sie 1994 endlich verhaftet wurde.

Noch Anfang der neunziger Jahre berichteten Aussteiger der sizilianischen Cosa Nostra und der kalabrischen Ndragheta ebenso wie Exmitglieder der Sacra Corona Unita Apuliens, daß man Frauen allenfalls für Kurierdienste einsetze oder aber als Strohmänner beziehungsweise -frauen, wenn man die eigene Beteiligung an Geschäften verschleiern wollte. Doch als 1992 nach den Morden an den Oberermittlern Falcone und Borsellino reihenweisen hoch- und höchstrangige Bosse verhaftet wurden, wurden auch im eher machistischen Milieu der Mafiosi Siziliens und Unteritaliens die Frauen immer stärker in die trüben Aktionen eingebunden.

Eine von ihnen, Maria Messina, wurde dann sogar – als erste Frau überhaupt – nach Paragraph 41b des Strafverfahrensgesetzes verurteilt: Streng isoliert sitzt sie in einem Hochsicherheitsgefängnis mit Besuchsverbot und Einschränkung des Kontakts sogar mit ihren Verteidigern; auch zu anderen Häftlingen hat sie keinen Kontakt.

Maria Rosa Buccarella könnte ein ähnliches Schicksal blühen. Noch aus dem Krankenwagen hatte sie versucht, Anordnungen an ihre Getreuen draußen durchzugeben – erfolgreich, wie sich später zeigte: Als die Polizei an die Türen mutmaßlicher weiterer Komplizinnen und Komplizen klopfte, waren diese bereits über alle Berge.