Pfaffenfriedensabend

Reif für ne Elternvorzeige: Ausgerechnet am Weihnachtsabend wird Türk den Eltern präsentiert. Aber dann läßt Papa die Sau raus...  ■ Von Feridun Zaimoglu

Wie's so kommt war ich nach einjährigem schnupperkursus beziehung dann doch reif für ne elternvorzeige, und lea, die sonst mit übergroßem vaterbild nen soliden krieg führte, wollt sich zum türkenlover gründlich bekennen. Anlaß war weihnachtszeit, da kriegt alamanja nen seligkeitsrappel, da haben fürn paar tage simpelfittis an christkind nix auszusetzen, und aldi wird satte ladungen zimtsterne los. Alles ist plunder und manchs fällt schnee: es freuen sich lallerkacker übers unschuldsweiß das bald matschige des pflasters. Ich sah um mich herum trübes geflax, doch lea war wie ausgeschwuppst und wußte beide seiten, den vater und mich, fürn allerheiligen pfaffenfriedensabend zu gewinnen. Links hinter mir saßn schlipsdaddy, der hatte n sagenhaftes toupet aufm kopp: als hätte er ner ratte die bauchhaut abgezogen und sie auf die blanke schwarte ausgelegt. Na ja, irgendwann standen wir vor nem prachthäßlichen landsitz, den seinen gibt der herr recht geschmacklos, der garten frischrasiert, n schmucker eingeschaufelter tümpel, hawaiischaukel in rotgrünbonbon, und jede menge selbstgedrehte keramikklumpen. Aha, dachte ich, die mutter selbsterfüllt sich, egal. Ich wurde eingelassen, der erste türke in diesen räumen, wie mich die tonne an mama anscherzte. Der vater war absentiert, hatte die flinte gepackt, sich in die enge fuchsansitzhose gezwängt, um im waldstück n paar mal ballern zu können: o hinterhalt, o hinterhalt, mir wird der arsch so richtig kalt! Derweil saß ich aufm sofa und wurde begafft. Nach vier pralinen, ner handvoll marzipankartoffeln und nem öden plausch mit leas mama stand er auch schon in voller teigigkeit im türrahmen, der hausherr. Er fragte nach befinden, ich fragte zurück, er fragte nach beruf, ich sagte: „nix.“ Die drauffolgende kasernierte stille durchbrach frau mama mit der bemerkung, sie wolle mal auftischen, die tochter sollte ihr zur hand gehen. Die männer waren unter sich. Was ich in Zukunft denn so machen werden würde, in eigener angelegenheit. Tja, sagte ich, der herr wirds richten. Ob ich allah meinte, wollte er wissen. Ich sagte: „nicht unbedingt.“ Er ging weg, und ich hörte wenig später die klospülung. Ich dachte, das hier ist also so ne art höhere absteige für abgelegte körper, und das dort sind genau sechzehn scheiß jägertrophäen anner wand, undn schädel vonnem kapitalen hirsch als die ganz tolle leistung. Das hat papi prima gemacht. Natürlich gabs gans plus pastete, man gab sich am tisch formtreu, ich lugte zu den geweihen, und papi erzählte was von anpirschen im schlick. Die seele des weißen mannes stank im bürgerzimmer. Der abend hätte wie alljährlich gehabt ausgehen können. Doch dann passierte etwas. Lea legte ihre hand auf die meine, nur für ne kurze weile, aber der vater hatte es gesehen. Und der legte los, immerhin n phänomenaler koller, mußte man ihm lassen, und gegen ende seiner vergleichenden kulturbetrachtung kam das große ding: „...ich dulde es nicht, daß ein beschnittener meine tochter fickt...“ Originalton. Nun ja, schluß mit gemütsruhe und fest der liebe, scheiß drauf, ich stand auf, machte n paar schritte zum weihnachtsbaum und fegte ihn mit nem satten schnappkick zu boden. Dann die handtasche gepackt und raus. Ich irrte n bißchen herum, bis ich ne frittenbude fand, wunderlicherweise um diese zeit auf, und hier saß ich denn und hielt mich anner büchse cola fest. Bald tauchte lea auf, sie hatte die tante benachrichtigt, und wir kamen bei ihr unter. Auch hier süßzeugs, gesöff, ausgesuchte höflichkeit. der tag klang friedlich aus.

Feridun Zaimoglu, 33 Jahre, bezeichnet sich selbst als educated kanakster und mag zu Weihnachten ganz besonders Zimtsterne. Der regelmäßige taz-Autor lebt in Kiel. Im Hamburger Rotbuch Verlag veröffentlichte er Kanak Sprak, 1995, 29,80 Mark, sowie Abschaum, 1997, 24,80 Mark.