■ Warum auf Erden alles schiefgeht oder
: Crazy in Bethlehem

Das Ganze war straff durchorganisiert, und zunächst lief auch alles genau nach Gottes Plan.

Pflichtbewußt hatte Josef in den überfüllten Herbergen nachgefragt, und jetzt suchte er den Stall, nicht irgendeinen, sondern den Stall, der später mal ins Buch der Bücher eingehen sollte. Josef wußte: Erwischte er den falschen Schuppen, wäre er geliefert.

Gott war eh schon penibel, aber bei der Geburt seines einzigen Sohnes würde er jede Wurschtigkeit sehr, sehr hart bestrafen. Da würde er sich wahrlich nicht lumpen lassen.

Josef starrte seufzend auf seinen Merkzettel mit den Anweisungen. Die genaue Stalladresse war kaum zu entziffern, denn der Zettel war schon ein bißchen zerknautscht.

Außerdem hatte Gott eine furchtbare Klaue.

„Wahrscheinlich Linkshänder“, murmelte Josef.

Bei Maria setzten schon die Wehen ein.

„Weghecheln!“ befahl Josef gereizt.

Dann, plötzlich, sah er den Stall. Ja, das mußte er sein. Josef trat ein und musterte die Innenausstattung. Tatsächlich. Alles da: eine Krippe, ein Ochse, ein Esel.

Erleichtert drapierte Josef Maria auf dem Stroh, und keine halbe Stunde später war Jesus da.

Sie legten ihn ordnungsgemäß in die Krippe.

Zufrieden betrachtete Josef das Szenario. Jetzt fehlten nur noch die drei Weisen, dann hätte alles seinen Schick.

Und schon öffnete sich die Tür, Caspar, Melchior und Balthasar erschienen planmäßig und sagten ihren Spruch auf.

Danach herrschte Feierabendstimmung.

Es war doch alles wie am Schnürchen gelaufen, da konnte selbst Gott nicht meckern.

Und unter launigen Wirtinnenversen entkorkte Caspar einen Trinkschlauch.

Sie hatten sich gerade gemütlich in lockerer Runde zusammengesetzt, als ein Hirte in den Stall stürzte. Der Mann schien außer sich; in seinen Augen flackerte der Wahnsinn, seine Pudelmütze saß schief, und der Hirtenstab war verbogen: „Hilfe! Hilfe!“ schrie er.

„Jetzt werden wir alle verrückt! Alle verrückt!“ Caspar legte begütigend seine Hand auf die Schulter des Rasenden: „Jetzt mal mit der Ruhe, guter Mann. Was gibt es denn?“

alles schiefgeht oder

Der Hirte deutete hinaus auf den Himmel: „Der Komet! Habt ihr denn nicht den Kometen da gesehen!“ Sie rannten zur Tür und sahen ihn: groß, glänzend, drei Schweife.

Genau über ihnen.

Entsetzt schrieen sie durcheinander:

„Hilfe, der Komet!“

„Er wird die Menschen verrückt machen!“

„Sie werden kleptoman, bekommen Lust auf Gewalt, lieben sich in den Parks!“

„Ich glaub', ich spür' schon was!“

Nur Melchior bewahrte Ruhe:

„Leute, hört mal her! Dieser Komet da ist 709 Milliarden Lichtjahre von uns entfernt! Er besteht zu 90 Prozent aus gefrorenem Rotz und 10 Prozent Kohlensäure! Also regt euch nicht auf. Er kann euch nichts tun!“

Doch die Stimmung war bereits umgekippt, alle zeigten deutliche Anzeichen des Irrsinns:

– Josef hatte sich auf Maria gestürzt und würgte sie: „Das hast du uns eingebrockt! Du bist an allem schuld! Dich mach' ich fertig! Das kriegst du wieder!“

– Im hinteren Teil des Stalls hatten Ochse und Esel provisorisch eine kleine Spielhölle eingerichtet und zockten nun Balthasar beim Strip-Poker ab; der Weise trug bereits nichts mehr am Leibe bis auf ein bißchen Weihrauch.

– Caspar hatte sich ein weißes Stück Stoff über den Arm gelegt, ging im Stall auf und ab und murmelte immer wieder nur tonlos: „Das ist nicht mein Tisch. Das ist nicht mein Tisch.“

Melchior rief besonnen: „Kinder! Nun seid doch vernünftig! Der Komet ist harmlos! Ihr bildet euch das alles nur ein!“ Josef ließ kurz von Maria ab und schrie: „Könnte vielleicht mal einer dem Bimbo das Maul stopfen!“

Ochse, Esel und Balthasar kamen sofort dieser Aufforderung nach. Melchior lag nun zappelnd am Boden, und bevor ihn Balthasars Fausthieb voll auf die Zwölf erwischte, dachte er an Gott: „Au Backe, das gibt Ärger!“

Balthasar sollte recht behalten.

Und zwar seit nunmehr 2.000 Jahren.

Simone Borowiak, rüstige 33 Jahre, bekennende Hessin, keine Vorstrafen, nie an Krippenspielen teilgenommen, dafür sieben Jahre Redakteurin bei Titanic. Ihr Bestseller „Frau Rettich, die Czerni und ich“ wird momentan in München verfilmt. Ihr Beitrag ist mit Dank entnommen dem Buch Schrille Nacht, heillose Nacht, Ullstein Verlag, 14,90 Mark.