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■ Vorschlag„Berufswunsch: Geräuschemacher". Mina und Contriva im Berlin-Tokyo

Heute mal was für streikende Soziologiestudenten. Was kommt dabei heraus, wenn die Revolution ihre Kinder in die künstlerische Freiheit entläßt? Was passiert, wenn die Enkelin von Alfred Kurella, dem einstigen Leiter der SED-Kulturkommission, eine Popband gründet? Untersuchungsobjekt Wendekinder: Mit 15 Jahren das erste Haus besetzt, mit 16 den ersten Übungsraum. Später ging's zum Proben in die Schorfheide oder nach Neuglobsow.

Mittlerweile sind durch eine Art Zellteilung aus einer Band zwei geworden: Mina und Contriva. Auch kann man heute die Vermona- Orgel und die Musima-Gitarren an Digitalsampler anstöpseln. Aber dennoch: im kollektiven Gedächtnis aller Bandmitglieder ist nach wie vor auch die Theo-Schumann-Combo verzeichnet. Lieblingsbands? Wichtigste musikalische Vorbilder? Stereolab, John Coletrane, Manfred Krug. Mina sind eine Sience-Fiction-Band. Ihre Lieder handeln von Hale Bob und den Hausschuhen des Commander Sven. Das hängt damit zusammen, daß der Vater eines Bandmitglieds Roboter für die Weltraumindustrie baut. Glücklicher Nebeneffekt: Die zuletzt mitgebrachte Gesteinsprobe vom PX11 hat sich angeblich als bester Saphir aller Welten entpuppt. In der Tschechoslowakei gepreßtes Vinyl versetze er in himmlische Schwingungen, wird behauptet. Die Leute von Mina glauben darüber hinaus zu wissen, daß die HiFi-Desks von modernen Raumschiffen heutzutage mit House und Ambient bestückt seien.

Bei Contriva sind die Rhythmen vertrackt, als seien unschuldige Popsongs einem Humangenetiker in die Hände gefallen. Aber nach einer Weile beginnen auch diese neuerschaffenen Melodien zu swingen. Tatsächlich arbeitet der Songschreiber tagsüber im chemischen Labor der Humboldt-Universität. Er hat längst eingestanden, daß er sich beim Komponieren an der Zusammensetzung seltener chemischer Formeln orientiert.

Contriva samt Vinyl mit himmlischen Schwingungen Foto: privat

So, der Daten sind genug gesammelt. Die soziologische Studie über das musikalische Treiben der Wendekinder kann geschrieben werden. Aber wie erklärt man die postsozialistische Orientierung seinen Eltern? Kann man ihnen verklickern, daß im entfesselten Kapitalismus die Gründung eines Plattenlabels die sicherste Existenzgründung ist? Wenn Tanten und Onkels zu sehr nerven, lautet der offizielle Berufswunsch: „Geräuschemacher“. Noel Rademacher

Samstag 21 Uhr, Rosenthaler Straße, Mitte

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