Hanfort Deutschland

Das nova-Institut hat die zweite, erweiterte Ausgabe seiner Studie zur Hanfwirtschaft veröffentlicht: Die Unternehmer sollen „Faserverbünde“ gründen
■ Von Esther Kogelboom

Seit November liegt die zweite, erweiterte Ausgabe der aktuellen Studie zur Hanfwirtschaft in Deutschland des nova-Institutes Hürth vor. Demnach haben sich die Hanfanbauflächen gegenüber 1996 verdoppelt und liegen jetzt bei 2.800 Hektar. Desweiteren verzeichnet die Studie, daß in fast allen Bundesländern Anlagen zur Verarbeitung des Hanfstrohs entstehen und sich die weiterverarbeitende Industrie im zunehmenden Maße für die Schäben, Fasern und Samen des nachwachsenden Rohstoffs Hanf interessieren. Sogar nach Nordamerika haben deutsche Anbieter Hanf exportiert: der gestiegene Dollarkurs steigert die Konkurrenzfähigkeit gegenüber dollarpreisabhängigen Importfasern wie Jute oder Sisal. Aus den Ökobilanzen, die das nova-Institut errechnet hat, geht hervor, daß das Potential einheimischen Hanfes als Rohstoff für ökologische Produktlinien prädestiniert sein könnte.

Der Flachsanbau in der Bundesrepublik ist hingegen von 4.500 Hektar (1996) auf 1.300 Hektar (1997) zurückgegangen. Schuld daran sei eine EU-Regelung, die die Flächenbeihilfen der EU von einem Verarbeitungsnachweis innerhalb von zwei Jahren abhängig macht. Michael Karus, Leiter des nova-Institutes, erwartet, daß nächstes Jahr auch für Hanf ein Verarbeitungsnachweis zu erbringen ist, hält aber einen vergleichbaren Einbruch in den Anbauzahlen für ausgeschlossen: „Für den größten Teil des diesjährigen Hanfs bestehen bereits jetzt Abnahmeverträge.“

Eine Schwierigkeit ist, daß die einzigen von der EU zugelassenen und somit beihilfefähigen Hanfsorten aus Frankreich kommen und somit weder optimal an die deutschen Witterungsverhältnissen angepaßt noch preisgünstig zu haben sind – Frankreich hält die Monopolstellung. Bewegung auf dem Hanfmarkt wird erst dann erwartet, wenn die EU-Sortenliste erweitert wird. Das ist vielleicht schon nächstes Jahr der Fall, wenn neben einem deutschen Produkt auch ungarische, polnische und ukrainische Hanfsorten zugelassen werden könnten.

Das nova-Institut hält übergeordnete „Faserverbünde“ für sinnvoll. Damit können die Risiken der Hanfanbieter, Überkapazitäten und Preisdumping, vermindert werden, die oft mit einer langsamen Nachfrage einhergehen. Sollte sich aber die industrielle Nachfrage nach Hanf so schnell entwickeln wie Faseraufschlußanlagen entstehen, wird „die deutsche Hanfwirtschaft schon bald eine unübersehbare Größe unter den nachwachsenden Rohstoffen darstellen“, so das nova-Institut.

Die weiterführende Studie, das Hanfproduktlinienprojekt (HPLP), wurde vom nova-Institut gemeinsam mit dem ifeu-Institut Heidelberg durchgeführt. Finanzielle Unterstützung gab es unter anderem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt, der Badischen Naturfaseraufbereitung (BaFa), der TreuHanf Berlin sowie dem hanfnet Hannover. Grundgedanke ist, daß der deutsche Hanfanbau nur dann eine Zukunft habe, wenn es innerhalb der nächsten fünf Jahre gelinge, „Hanfproduktlinien in relevanter Weise zu etablieren“. Die entscheidende Frage müsse also sein: Welche Produktlinien haben unter technischen, ökonomischen und ökologischen Gesichtspunkten am Standort Deutschland die besten Chancen zur Realisierung?

In Zusammenarbeit mit ihren Partnern hat das nova-Institut aufgeschlüsselt, daß elf Produktlinien aus den Bereichen Fasern, Schäben, Samen/ÖL und Cannabinoide gute Chancen haben, „bis zum Jahr 2000 die Basis einer nachhaltigen deutschen Hanfindustrie zu bilden. Investitionen sollten auf diese Produktlinien fokussiert werden.“

Unter diesen elf Produktlinien nennt das nova-Institut im Textilbereich katonisierten Hanf als Baumwollsubstitut, Wärmedämmvliese im Baubereich, Spezialzellstoff für technische Anwendungen sowie Autoinnenverkleidungen wie Türinnenverkleidungen, Armaturenbretter und Hutablagen. Holzfasern sind zwar erheblich preiswerter als die Fasern von Einjahrespflanzen, aber Formpreßteile aus Hanf bieten qualitative Vorteile wie Gewichtsersparnis, gutes Unfallverhalten, höhere Stabilität und die Möglichkeit, komplexere Bauelemente aus einem Material und in einem Arbeitsgang zu fertigen.

Lebensmittel mit Hanf-Bestandteilen, die über ernährungsphysiologisch hochwertige Eigenschaften verfügen, sind ebenso Hoffnungsträger der deutschen Hanfindustrie wie Naturkosmetika. Mit der aus Hanf gewonnenen Gamma-Linolen-Säure können Mangelzustände an essentiellen Fettsäuren ausgeglichen, rheumatische Arthritis, diabetische Neuropathie und das prämenstruelle Syndrom gelindert werden. Last but not least betrachtet das nova- Institut Medikamente, die mit dem Wirkstoff THC versetzt sind, als zukunftsträchtiges Produkt.

Auszüge aus der Studie können über das nova-Institut, Thielstr. 35, 50353 Hürth, Tel. (02233) 978370, Fax: (02233) 978369, bestellt werden.

Auch die Fachagentur für nachwachsende Rohstoffe e.V., Hofplatz 1, 18276 Gülzow, hat eine Schriftenreihe zu diesem Thema herausgebracht.