Nimm mein Geld mit auf die Reise

■ Trotz verringerter Abschreibungsmöglichkeiten sind Schiffsbeteiligungen noch immer attraktiv. Man braucht allerdings viel Geld und ein wenig Mut zum Risiko. Experten warnen vor blindem Vertrauen in zweiste

„Der Untergang der ,Titanic‘ war ein großangelegter Versicherungsbetrug: In Wahrheit nämlich hatte die Reederei nicht das Original, sondern das Schwesterschiff des Luxusliners, die ,Olympic‘, mit voller Absicht im Atlantik versenkt.“ Diese abenteuerliche These hält sich trotz eindeutiger Gegenbeweise noch immer hartnäckig, und das sagt einiges über den Ruf der Branche: Den Schiffseignern traut man seit je so manches zu, wenn es um die Profitmaximierung geht.

Dabei sind sie – zumindest hierzulande und heutzutage – doch ganz normale Leute. Fast normal jedenfalls, denn den Spitzensteuersatz sollten sie schon erreichen und außerdem etwas Risikobereitschaft sowie einen überschüssigen Betrag ab etwa 30.000 Mark (besser noch mehr) aufbringen. Das sind im Prinzip die Voraussetzungen, um sich auf recht lukrative Weise an der Bezwingung der Weltmeere zu beteiligen.

Das Prinzip ist ähnlich wie bei Immobilienfonds: Spezialisierte Gesellschaften sammeln das Geld der Anleger und beteiligen sich damit am Kauf eines Objekts. Den Löwenanteil des Geschäfts machen Containerfrachter aus. So ein Pott kostet leicht 100 Millionen Mark, vor allem wenn er auf einer deutschen Werft gebaut wird. Die ausländische Konkurrenz ist erheblich billiger, trotzdem liegt die Bundesrepublik in der Rangfolge der Schiffsbaunationen auf Platz drei – wenn auch hart bedrängt von China und, mit riesigem Abstand, von Japan und Süd-Korea.

Ihren vergleichsweise guten Stand schreiben die Schiffbauer natürlich in erster Linie technologischer Überlegenheit zu. Trotzdem liefen sie Sturm, als die Bundesregierung im vergangenen Jahr daran ging, die Steuervorteile für die maritime Geldanlage zu beschneiden. Für alle nach dem 25. April 1996 in Auftrag gegebenen Schiffe sind die Bedingungen der Anteilszeichnung wesentlich schlechter als davor. Gab es bis dahin eine Sonderabschreibung von 40 Prozent der angelegten Summe und Verlustzuweisungen bis 125 Prozent, so können jetzt „nur“ noch die üblichen 100 Prozent mit anderen Einkünften des Investors verrechnet werden.

„Stark rückläufig“ nennt deshalb der Geschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik, Volkhard Meier, die Geschäftsentwicklung. Und über die in diesem Zusammenhang zum Beispiel von der IG Metall, aber auch vom Bundesrechnungshof geübte Systemkritik ist der Werften-Lobbyist ebenfalls unglücklich. Weil nämlich die Steuerförderung nur an eine Inbetriebnahme der Schiffe unter deutscher Flagge, nicht aber an das Bauland gekoppelt ist, war ein großer Teil der Subventionen der ausländischen Konkurrenz zugute gekommen. Deshalb wurde die Forderung laut, die Vorzugskonditionen an eine Auftragsvergabe im Inland zu binden. Statt dessen, so Meier, haben viele Emissionshäuser vor dem Stichtag „noch verstärkt im Ausland bestellt, um die günstigere Abschreibung mitzunehmen“.

Auch Thomas Völkers, Geschäftsführer bei der Hanseatischen Capitalberatungsgesellschaft (HCI), dem Branchenprimus in Sachen Schiffsbeteiligungen, kann über die Debatte nur den Kopf schütteln: „Als Steuerbürger finde ich das natürlich auch bescheuert“, doch ändern lasse sich diese Praxis höchstens durch protektionistische Maßnahmen, die dem Exportland Deutschland letztendlich mehr schaden als nützen würden. „Ein neues Firmenauto kann man schließlich auch von der Steuer absetzen – egal, ob es von Volkswagen oder Toyota gebaut wurde.“

Aus Völkers' Sicht ist die Geschäftslage im übrigen weiterhin zufriedenstellend. Obwohl das Anlageangebot der HCI nur noch rund zur Hälfte aus den vorteilhafteren Aufträgen vor dem Stichtag 25.4. 1996 besteht, ist das Interesse der Anleger „etwa auf dem Vorjahresniveau“. Und da stellte die Branche mit rund drei Milliarden Mark gesammelten Kapitals einen Rekord auf.

Experten warnen trotzdem vor blindem Vertrauen in die nach wie vor oftmals zweistelligen Renditen: Eine Schiffsbeteiligung ist keine normale Kapitalanlage, und deshalb gilt der Grundsatz, niemals aufgrund eines noch so verlockenden Prospekts einen Kontrakt zu unterzeichnen. Der Steuervorteil allein macht das Geschäft nämlich noch längst nicht lukrativ. Zu einem günstigen Deal gehört beispielsweise auch, daß schon vor der Fertigstellung eines Frachters feste Charterverträge für mehrere Jahre vorliegen. Derartige Rahmenbedingungen können aber nur wirklich spezialisierte Berater beurteilen, von denen man am besten gleich mehrere konsultiert.

Die stillen Teilhaber sind de facto schließlich Unternehmer mit allen damit verbundenen Risiken, und das bedeutet unter Umständen auch, daß nicht nur der Gewinn ausbleibt, sondern das gesamte eingesetzte Kapital verlorengeht. Vollkommen gefahrlos ist eigentlich nur die den Eignern häufig gewährte Option, auf „ihrem“ Schiff für wenig Geld als Passagiere mitgenommen zu werden. Wenn nicht ein Eisberg dazwischenkommt. Jochen Siemer