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Wahlen unter Aufsicht des Champions

Jamaikas Regierungspartei People's National Party gewinnt klar die Parlamentswahlen. Der Wahlkampf verlief friedlicher denn je. Jimmy Carter, Colin Powell und Evander Holyfield hatten als Wahlbeobachter wenig zu tun  ■ Von Martin Ling

Berlin (taz) – In Jamaika hat die seit 1989 regierende People's National Party (PNP) unter Ministerpräsident Percival James Patterson zum drittenmal in Folge die Parlamentswahlen gewonnen. Nach den letzten Auszählungsergebnissen errang die Partei bei den Wahlen vom Donnerstag 47 der 60 Parlamentssitze. Die größte Oppositionspartei Jamaica Labour Party (JLP) kam nur auf sechs Sitze.

Der dritte Wahlsieg in Folge ist ein Novum in Jamaika. Seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts 1944 hatten sich die JLP und die PNP regelmäßig nach zwei Wahlperioden abgelöst. Der gewohnte Wechsel blieb diesmal aus, weil die beiden Parteien, jamaikanisch ausgedrückt, wie tweedledee und tweedledum sind – sie sind also weder leicht zu unterscheiden, noch ist lohnend, das zu tun.

Percival James Patterson, der sich selbst als „political doctor“ bezeichnet, wurde 1992 zum ersten schwarzen Ministerpräsidenten gekürt. Nicht von den WählerInnen, sondern von den Parteitagsdelegierten, da der durch die Ausrufung des „Demokratischen Sozialismus“ auf Jamaika (1974 bis 1980) legendär gewordene Michael Manley aus Gesundheitsgründen von der politischen Bühnen abtrat. Manley hatte 1989 nochmals den Sprung ins Ministerpräsidentenamt geschafft – und den von seinem Vorgänger Seaga 1980 eingeschlagenen neoliberalen Kurs fast bruchlos fortgesetzt.

Patterson versteht es, günstige Momente in politische Erfolge umzumünzen. Wie schon 1993 zog er auch diesmal die Wahlen vor: Statt – wie es die Verfassung vorgesehen hätte – im April 1998, wurde nunmehr schon am 18. Dezember gewählt. Waren es 1993 nach langer Zeit erstmalig wieder positive Umfrageergebnisse, die Patterson dazu bewogen, sofort an die Urnen zu rufen, so setzte er diesmal auf die nationale Euphorie nach der erstmaligen Qualifikation für die Fußballweltmeisterschaft.

Die Opposition hielt freilich nichts von vorgezogenen Wahlen. Sie wollte erst 1998 an die Urnen gehen, da sie die Wahlregister für überarbeitungsbedürftig hielt.

Der Wahlkampf war so auch weniger von inhaltlichen Auseinandersetzungen geprägt als vielmehr von Streitigkeiten über das Prozedere. Die Opposition wollte internationale Wahlbeobachter, die Regierung zuerst nicht. Schließlich, so Patterson, sei man doch eine erwachsene Demokratie. Letztlich willigte er dennoch ein und zeigte sich sogar erfreut darüber. Im Gefühl des sicheren Sieges meinte er, dann könne Seaga wenigstens nicht wie üblich nach seiner Niederlage herumrennen und weinen.

Die internationalen Wahlbeobachter, die das Carter Centre aus Atlanta schließlich nach Jamaika entsandte, waren absolute Schwergewichte. Angeführt von Jimmy Carter und seiner Frau waren Ex- Präsidenten aus Bolivien, Belize und Costa Rica angereist. Den größten Bekanntheitsgrad in der jamaikanischen Bevölkerung haben jedoch der erste schwarze US- General Colin Powell, der jamaikanische Eltern hat – und der Boxweltmeister aller Klassen, Evander Holyfield, die ebenfalls als Beobachter eingesetzt wurden.

Carter hatte sich zunächst überrascht darüber geäußert, daß nun auch in Jamaika Wahlbeobachtung erforderlich sei, schließlich blicke das Land doch auf eine langjährige demokratische Tradition zurück. Tatsächlich ist die Geschichte der jamaikanischen Wahlkämpfe spätestens seit dem Wahlkampf von 1980, bei dem es über 800 Tote gab, auch immer mit Gewalttätigkeiten verbunden. Der diesjährige Wahlkampf verlief vergleichsweise friedlich, es wurde nur eine Schießerei mit zwölf Verletzten gemeldet. Auch am Wahltag selbst soll es nur zu sporadischen Zwischenfällen gekommen sein, der Tod eines Wahlhelfers ist noch ungeklärt. Die Behauptungen der PNP, seit dem 15. Dezember seien drei ihrer Leute von der JLP umgebracht worden, sind schwer überprüfbar.

Drei bis vier Tote sind in Jamaika an der Tagesordnung, die Hintergründe jedoch selten klar. Zum ersten Mal scheint allerdings in diesem Jahr die Grenze von 1.000 Morden durchbrochen worden zu sein – wenn der Wahlkampf dazu nur wenig beigetragen hat, ist dies ein positives Ergebnis.

Vielleicht lag es ja daran, daß alle Fußballnationalspieler in der Tageszeitung The Gleaner zur Gewaltlosigkeit im Wahlkampf aufgerufen hatten. Die Mannschaft wird auch im nächsten Jahr für Erfolge sorgen müssen – damit der wirtschaftliche Niedergang von der Bevölkerung weniger dramatisch empfunden wird, als er ist. Die Handelsbilanz wies im September ein Rekorddefizit aus, die Importe übertrafen die Exporte um das Zweieinhalbfache. Eine Abwertung ist nur eine Frage der Zeit, allen Beteuerungen der Regierung zum Trotz. Damit wäre die niedrige Inflationsrate von 11 Prozent, die der in Jamaika tätige deutsche Wirtschaftsprofessor Wolfgang Grassl als das einzig Positive in der Bilanz von 1997 ausmacht, dahin. Auch das ein guter Grund für vorgezogene Wahlen – vor allem, wenn sie dann auch noch gewonnen werden.

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