Clinch bei Energie und Atom

■ Bundesrat wehrt sich gegen Alleingänge der Bundesregierung: Die jeweiligen Gesetze wandern zurück in die Vermittlungsmühle. Entscheiden wird letztendlich das Verfassungsgericht

Bonn/Berlin (AFP/rtr/taz) – Die wichtigsten Umweltgesetze müssen noch einmal in den Vermittlungsausschuß zurück. Weil die Bundesregierung nach Ansicht der Mehrheit der Bundesländer keinerlei Kompromißfähigkeit zeigt, muß letztendlich wohl das Bundesverfassungsgericht entscheiden.

In ihrem gestrigen Sitzungsmarathon wiesen die von SPD und Bündsnisgrünen regierten Länder unter anderem die Novelle des Atomgesetzes ab. Nach Auffassung des Bundesrates ist das Gesetz verfassungsrechtlich äußerst problematisch und weitgehend entbehrlich. Außerdem schwäche es die Stellung der Länder im atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsverfahren.

Strittig ist aber, ob das Gesetz vom Bundesrat überhaupt verhindert werden kann. Die Länderkammer stellte mit Mehrheitsbeschluß fest, daß die Novelle zustimmungspflichtig sei, da es sich um ein Bundesgesetz handele, das von den Ländern ausgeführt werde. Die Bundesregierung ist anderer Ansicht.

Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) will mit der Novelle die Entwicklung eines neuen Typs von AKW erleichtern, Enteignungen zur Erkundung des Salzstocks in Gorleben ermöglichen und die Betriebsgenehmigung für das Endlager Morsleben in Sachsen-Anhalt bis zum Jahr 2005 verlängern. Eine weitere Neuregelung sieht vor, daß AKW- Betreiber bei Nachrüstungen nicht den modernsten technischen Stand erreichen müssen.

Der Bundesrat hat sich am Freitag ebenfalls gegen das neue Energierecht der Bundesregierung gestellt, das die Monopole der großen Stromunternehmen aufbrechen soll. Wie beim Atomgesetz plant die Regierungskoalition hier einen Alleingang, den die Mehrheit der Bundesländer notfalls per Verfassungsgericht kippen will.

Der schleswig-holsteinische Minister für Finanzen und Energie, Claus Möller, warf der Bundesregierung vor, sie wolle den Bundesrat durch Verfahrenstricks von der Entscheidung über das Energierecht ausschließen. Das neue Gesetz kritisierte er als „Begünstigungsgesetz für die großen Netzbetreiber“. Es fehlten faire und transparente Bestimmungen für den Netzzugang. Kleine Energieunternehmen würden weiter diskriminiert. Der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Koppelung werde kein wirksamer Vorrang eingeräumt. In dem neuen Energierecht werden die westdeutschen Energieversorger verpflichtet, auch Strom von Konkurrenten durch ihre Leitungen zu lassen – allerdings ohne Regelung der Durchleitungspreise. Strom aus erneuerbaren Energiequellen müssen die Konzerne für 80 bis 90 Prozent des Endverbraucherpreises in ihrem Gebiet abkaufen – solange der Anteil des Stroms aus Alternativenergien auf ihrem Gebiet nicht fünf Prozent übersteigt.

Wenn – wie zu erwarten – der Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung am 14. Januar keine Einigung erzielt, wird der Bundestag im Februar den Bundesrat überstimmen. Dann muß nach Angaben von Abgeordneten der Opposition das Bundesverfassungsgericht in einer einstweiligen Anordnung bestimmen, ob die Gesetze bis zu einer endgültigen Entscheidung durch das Karlsruher Gericht schon angewandt werden können oder nicht. rem