■ Interview mit einem Junkie
: „Du schämst dich“

Michael K. (Name von der Redaktion geändert) ist 42 Jahre alt, lebt auf der Straße und schlüpft nur ab und zu im Winter in Notunterkünften unter. Er ist seit 18 Jahren im Methadonprogramm und hängt trotzdem weiter an der Nadel. „Beikonsum“nennt er das. Wir sprachen mit ihm darüber, ob auch Junkies in Bremen Gesundheitsräume brauchen.

taz: Hannover hat vor wenigen Tagen einen Gesundheitsraum eröffnet. Muß Bremen auch solche Druckräume haben?

Michael K.: Ich finde das mit Hannover total super, und ich will da in den nächsten Tagen unbedingt mal hinfahren, um mir das Ding anzugucken. Ich finde, wir brauchen so etwas in Bremen unbedingt auch – einen Raum in der Neustadt und einen am Bahnhof. Ich muß mich doch zehnmal am Tag verstecken. Im Parkhaus kann man nicht drücken, da kommt gleich der Wärter und beschimpft dich. Im Bahnhofsklo geht es auch nicht. Und in der Drogenberatungsstelle ist es auch nicht erlaubt. Das ist ja das Unlogische: Dort darfst Du Spritzen tauschen, das ist legal aber spritzen darfst du da nicht. In einem Druckraum hättest du deine Ruhe und könntest den Druck auch ungestört genießen.

Es geht dir nur um die Ruhe, die dir fehlt?

Natürlich nervt das, wenn Du dauernd auf der Flucht bist. Du schämst dich ja eigentlich vor allen, auch vor Anwohnern, wenn sie dich beobachten. Aber für Druckräume gibt es noch tausend andere Gründe: Draußen ist es kalt, du sitzst irgendwo im Dreck und setzt dann da auch noch mal kurz deine Nadel ab – irgendwo auf einer dreckigen Mauer. Außerdem geht dir dabei der Stoff flöten, wenn es zum Beispiel windig ist. Außerdem geht es gerade älteren Junkies so, daß sie bei der Kälte gar keine Venen mehr finden. Die müssen sich dann ausziehen und sich das Zeug in die Leisten spritzen.

Es heißt aber, daß es in Bremen schon Ecken gibt, wo man ungestört ist. Und daß zum Beispiel in Wohnheimen das Spritzen auch geduldet wird?

Also ungestört, das glaube ich draußen nicht. In den Heimen, das stimmt. Aber ich wohne da ja nicht. Da wird zuviel geklaut, die Junkies verticken doch sofort wieder alles. Da kann ich mich draußen besser vor sowas schützen.

Druckräume sollen nicht nur Schutzräume sein, sie sollen auch zum Ausstieg bewegen.

Jeder Junkie will doch im Grunde aussteigen. Und wer das nicht will und sich ohnehin irgendwann den goldenen Schuß setzen wird ... da kann auch der Sozialarbeiter nichts mehr tun. Der Staat darf einem doch nicht vorschreiben, wie man sterben will, oder?

Fragen: Katja Ubben