Spätkauf

■ Rache in Hollywood

Drehbuchautoren, die Romane über Hollywood schreiben, neigen zur Wehleidigkeit. F. Scott Fitzgeralds „letzter Tycoon“ war ein nonchalanter Mann mit europäischen Manieren, der am harten Kapitalismus der Filmstudios zerbrechen mußte, und in Nathanael Wests „Tag der Heuschrecke“ hat die Traumfabrik Leichen im Keller. James Robert Bakers „Boy Wonder“ macht da keine Ausnahme: Es gibt Teenager, die sich auf LSD mit der Motorsäge selbst enthaupten; verzweifelte Schauspieler, die im Wahn ihre Mütter erstechen; es gibt tote Starletts und nekrophile Latex-Girls, Massenmörder und Drogenwracks – die ganze Palette an menschlichen Trieben eben, mit denen in Hollywood die Produktivkräfte entfesselt werden. Mit viel Liebe für Trash und unappetitliche Details montiert Baker aus Zeitzeugenaussagen den Werdegang des Filmproduzenten Shark Trager zusammen, der vom Underground-Regisseur in den Sixties über billige Sex-Movies und Katastrophenepen zum Oscar-Gewinner aufsteigt. Mit der Größe seines Ruhms wächst auch die Maßlosigkeit der Phantasien: Irgendwann ist es dann egal, ob die Morde, Koksorgien, Fickexzesse und Triperlebnisse vor der Kamera oder nur im Kopf der Beteiligten stattgefunden haben. Tatsächlich funktioniert „Boy Wonder“ wie ein filmischer Schnelldurchlauf von „Supervixen“ bis „ET“. Die Biographie bleibt zwar fiktiv, gewisse Ähnlichkeiten mit Steven Spielberg oder Francis Ford Coppola sind aber verblüffend. Als Autor ist Baker in Hollywood gescheitert. Sein Roman liest sich wie ein späte Rache. hf

James Robert Baker: „Boy Wonder“. Rogner & Bernhard, Hamburg 1997, 686 S., 39 DM