Spätkauf

■ Bücher auf den letzten Drücker. Empfehlungen der taz-Kulturredaktion * Pop in Bochum

„Etwa zwei Jahre nach unserer ersten Begegnung machte mir Sabine am Telefon Aussicht auf einen Fick, allerdings nicht mit ihr selber, sondern mit ihrer jüngeren Schwester“ – das war das, was man Mitte der Achtziger, als Wolfgang Welts „Peggy Sue“ erstmals erschien, einen „starken Anfang“ nannte. Genützt hat es nicht viel. Der um ein angestrebtes, aber nur partiell erreichtes Triebziel herumkonstruierte Kurzroman floppte. Heute, wo Welts Gesamtwerk (15 Geschichten) in einer preisgünstigen Sammelausgabe zur Wiederentdeckung vorliegt, liest sich „Peggy Sue“ als verkannter Klassiker des Nichtentwicklungsromans – ein später Nachfolger etwa von Karl Philipp Moritz' „Anton Reiser“. Nichts geht so richtig voran, das Leben ist ein langer, unruhiger Fluß, unterbrochen nur von gelegentlichen Aufbäumaktionen des Helden. Die Problemkreise, an denen er unspektakulär, aber dafür permanent scheitert, lassen sich immerhin benennen: Sex, Popmusik und Bochum. Letzterem hat Welt in, äh, dichten atmosphärischen Beschreibungen ein Denkmal gesetzt, Sex grundiert die gesamte Szenerie, Popmusik ist utopisch besetzt, wird aber vor allem im Hinblick auf eine desillusionierende Drittelkarriere als Musikjournalist beim Ruhr-Magazin Marabo beschrieben – deren Höhepunkt immerhin ein Interview mit Lou Reed darstellte! So richtig leben hat Welt von seinem Schreiben selten gekonnt. Heute arbeitet er als literarischer Nachtportier im Bochumer Schauspielhaus. Der dort intendierende Leander Haußmann hat ihm ein freundliches Vorwort in die Werkausgabe geschrieben. Ob sie abgeschlossen ist, weiß bis dato niemand. Von einem angestrebten zweiten Roman existiert immerhin der Einstieg: „Ich würde sie ficken.“ tg

Wolfgang Welt: „Peggy Sue & andere Geschichten“. Edition Xplora, 1997, 248 S., 29,80 DM