Der Kip fällt, die KP steht: Am Mekong wird gewählt

■ Mitten in Südostasiens Wirtschaftskrise läßt das alte Regime von Laos sich bestätigen

Bangkok (taz) – Parlamentswahlen im verschlafenen Laos sind eine ruhige und rare Angelegenheit. Das verdanken die Laoten ihrer seit 22 Jahren allein herrschenden „Revolutionären Laotischen Volkspartei“, die den Traum aller übriggebliebenen asiatischen Kommunisten träumt: Die Armut ihres Landes durch wirtschaftliche Öffnung abzuschütteln, ohne die eigene Macht zu gefährden. Zum dritten Mal seit dem Ende des Indochina-Krieges 1975 ließ die Partei gestern eine neue Nationalversammlung wählen. Sehr schwer kann die Entscheidung am Mekong-Fluß, in den Hügeln und abgelegenen Hochlandwäldern kaum gefallen sein: Unter den 159 BewerberInnen für die 99 Parlamentssitze waren nur vier nicht in der Partei. 27 Frauen kandidierten, mehr als je zuvor.

Eine organisierte Opposition oder prominente Dissidenten gibt es in Laos nicht – aber die Repression ist auch nicht so scharf wie in Vietnam oder gar Birma. Statt dessen hat Parteichef und Premierminister General Khamtay Siphandone in den letzten Jahren allmählich die Zügel etwas lockerer gelassen. Da wuchs dem Parlament unverhofft ein wenig Rückgrat: Anstatt nur brav zu nicken, debattierten die Abgeordneten zum Entsetzen der alten Parteioberen zwei Jahre lang vehement über ein neues Gesetz, das die Nutzung und den Besitz von Land regeln sollte.

Laos gehört zu den ärmsten Ländern Asiens. Ein Viertel der Männer und die Hälfte der Frauen können weder lesen noch schreiben. Die Lebenserwartung liegt bei durchschnittlich 53 Jahren. Kein Arzt, nur ein Opiumpfeifchen lindert die Schmerzen in vielen abgeschiedenen Dörfern und den Bergen des Goldenen Dreiecks zwischen Birma und Thailand oder an der chinesischen Grenze. Zur Armut kommt die Furcht vor ethnischen Spannungen. In Laos mit seinen rund 4,7 Millionen Menschen leben 47 verschiedene Minderheiten. Etwa die Hälfte zählen zu den Lao Loum, den thaisprechenden Buddhisten des Flachlandes, die Politik und Wirtschaft des Landes beherrschen – und, so glauben viele, den Löwenanteil der ausländischen Hilfsgelder für sich behalten. Seit dem Krieg versucht die Regierung zum Beispiel, die rebellischen Hmong unter Kontrolle zu bekommen, die Bewohner des Hochlands, die für Opiumanbau berühmt sind. Vor ein paar Monaten verhängte die Regierung eine nächtliche Ausgangssperre über die Stadt Phonsavan in der Ebene der Tonkrüge, nachdem es dort mehrfach gewaltsame Auseinandersetzungen gab.

Um die bedrohten Regenwälder vor der Brandrodung zu schützen, zwangen die Politiker in Vientiane in den letzten Jahren viele Bergbauern, ins Flachland umzusiedeln. Auch vor Staudämmen müssen die Bewohner weichen: Der von Umweltschützern heftig bekämpfte Nam-Theun-2-Damm zum Beispiel, der Strom für Thailand produzieren soll, wird rund 1.000 Familien vertreiben.

Selbst in jenen laotischen Dörfern, wo es noch keine Elektrizität gibt, erfahren die Leute vom glitzernden Reichtum Thailands, Hongkongs und der übrigen Welt. Videogeräte, von Generatoren oder Autobatterien gespeist, zeigen in den letzten Ecken des Landes chinesische, thailändische und amerikanische Porno-, Schmacht- und Actionfilme. Die von Schwarzenegger & Co ganz nebenbei in einem Film demolierten Automengen könnten die laotischen Bauern wochenlang ernähren.

Im Juli trat Laos in die Gemeinschaft der Südostasiatischen Staaten (Asean) ein. Doch statt des erhofften wirtschaftlichen Auftriebs geriet das Land in den Währungsstrudel, der die ganze Region erfaßt hat. Der laotische Kip, eng an den thailändischen Baht gebunden, verlor seit dem Sommer 80 Prozent seines Wertes. Das ist Wasser auf die Mühlen konservativer Parteifunktionäre, die in den vergangenen Jahren vor wirtschaftlichen Reformen und den verderblichen Einflüssen der Nachbarn warnten. Jutta Lietsch