Es muß klappen – schließlich

■ André Rieus Autobiographie: Das perfekte Haßgeschenk

Treffsicher haben sich unsere Intellektuellen eingeschossen auf die Kelly Family. Welche Einseitigkeit. Es gibt schlimmere Inkarnationen der guten Laune. Zum Beispiel André Rieu. Der Operettengeiger führte ebenso vorzeitig zum Ausverkauf der Bremer Stadthalle wie die Kellys. Im Januar gibt er gar ein Zusatzkonzert für die taumelnden Massen. – Und die Kulturbeflissenen kennen nicht mal seinen Namen. Leben in einer musikalischen Klassengesellschaft.

Alles Gründe, welche Rieus Autobiographie zu dem geeigneten Geschenk machen für die vielen Menschen, die wir – aus familiärer und beruflicher Rücksichtnahme – anschmelzen müssen und doch tief im schwarzen Herzen verachten. Allein schon das Einwickeln des Buchs in Weihnachtspapier macht mehr Spaß als Mobbing. Voller Zuversicht vertrauen wir darauf, daß unser Widersacher Rieus strahlendes Prothesenlächeln als Hohngelächter erkennen wird. Ist nicht jedes Lachen ein kultiviertes Zähnefletschen? Der leuchtende Goldprägedruck des Einbands wird sich den sensibilisierten Augennerven unseres Gegners wie Feuermale einbrennen. Und bei der unerbittlichen, systematischen Darlegung von Rieus bescheiden-makellosen Gut-Mensch-Leben wird unser Haßobjekt zwangsläufig die Erbärmlichkeit seines eigenen gebrochenen Lebens erkennen.

Wunderbare Sentenzen müssen wir lesen über die Musik im allgemeinen („Diese Freude am gemeinsamen Musizieren halte ich für das Allerwichtigste. Die Leute gehen begeistert mit, wenn sie sehen, wie sehr ein Orchester sich bemüht ...“) – und über die Musik im besonderen, zum Beispiel am Aschermittwoch, dem Ende des Faschings: „.. dann können gerade die mitreißenden Walzer und Operettenmelodien einem den Übergang zum grauen Alltag unheimlich erleichtern.“

Ja, der graue Alltag. Er hat auch André nicht verschont. Wunderkind war er schon gar nicht. Durchs Gymnasium hat er sich gerade mal so durchgeschummelt – unser Lausbub, und die Fron des täglichen Übens drückte ihn schwer. Das gesteht er uns mit tapferem Freimut. Für unseren Feind aber kein Grund zum Aufatmen. Denn in Beruf und Liebe legte André eine glatte Erfolgsstory vor, gewürzt auch noch mit altruistischem Engagement für eine Begrünung der Sahelzone. 22 lange Ehejahre fügen sich in einen kleinen zweizeiligen Satzwurm: „Ohne diese Liebe, die eine kameradschaftliche, konkurrenzlose Zusammenarbeit ermöglicht, hätte ich es wohl nie so weit bringen können.“

Vollends vernichtet aber wird sich das Opfer unseres Schenkens unter der Bettdecke verkriechen, wenn es erfährt, daß es auch in den Genuß jenes erfüllten Lebens hätte kommen können, wenn  „man nur lange genug durchhält, niemals aufgibt und obendrein – das ist das Wichtigste – immer dafür sorgt, daß man Spaß hat an dem, was man macht, dann muß es schließlich einmal klappen!“

Nur eines gönnt man André aus ganzem Herzen: Marjorie. Damit er die Träume seiner weiblichen Fans erobern kann, legte er sich vorausblickend schon mit 22 Jahren dieses häßliche Stück Weib zu. Jede, wirklich jede Frau könnte sie ausstechen. Wie schön wäre Weihnachten, könnten wir unseren Feinden eine Marjorie schenken.

Barbara Kern

Christians Verlag. 26 Mark