Säuberungsaktion in Nigerias Militär

Nach „Putschversuch“ wird die Nummer zwei des Militärregimes zusammen mit weiteren Generälen verhaftet. Spekulationen um einen heftigen Machtkampf an der Staatsspitze nehmen bereits seit Wochen zu  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – In Nigeria sind hochrangige Militärs, darunter die zweithöchste Figur des Militärregimes, verhaftet worden. Sie hätten ein „Komplott“ zum „gewalttätigen Sturz der Regierung“ geplant, verkündete der Personalchef des Militärs am Sonntag abend im Staatsfernsehen. Wichtigstes Opfer ist Generalleutnant Oladipo Diya, Stabschef und Nummer zwei in der Militärjunta unter General Sani Abacha. Zu den anderen Verhafteten zählen die Generäle Abdulkarim Adisa und Tajudeen Olanrewaju, bis Mitte November Minister für Wohnungsbau beziehungsweise Kommunikation. Dazu kommen acht andere Militärs sowie ein politischer Berater Diyas.

In ihrem Kommunique warnte die Militärführung vor Versuchen, „die Sicherheit und den Zusammenhalt der Nation zu stören und den ablaufenden Übergangsprozeß aufzuhalten“. Seit Wochen wird die politische Lage in Nigeria immer angespannter. Am 1. August 1998 soll ein Präsident gewählt werden, der am 1. Oktober die Macht übernimmt. Die meisten Beobachter sind inzwischen überzeugt, daß Abacha sich bei diesen Wahlen selbst wählen lassen will. Mitte November hatte er anläßlich seines vierten Putschjahrestags das Kabinett aufgelöst; erst am vergangenen Donnerstag, fast einen Monat später, wurde ein neues eingeschworen.

Zwischenzeitlich machten Gerüchte über mysteriöse Krankheits- und Todesfälle in Regierungskreisen die Runde, wie immer, wenn Machtkämpfe in Nigeria ihren Höhepunkt erreichen. So wurde vergangene Woche gemeldet, Abdulkadir Ahmed, Chef der nigerianischen Zentralbank von 1982 bis 1994, sei am vorletzten Wochenende in einem deutschen Krankenhaus an einem Gehirntumor gestorben; dann hieß es, er befinde sich in einer Londoner Klinik. Es zirkulierten auch Gerüchte über Aufenthalte hochrangiger Mitglieder der Militärjunta bis hin zu Abacha oder seiner Ehefrau in deutschen Krankenhäusern. Die von Abacha im November versprochene Freilassung einiger politischer Gefangener fand nicht statt – vielmehr starb einer der prominentesten unter ihnen, der frühere Vizepräsident Shehu Musa Yar'Adua, am 8. Dezember unter ungeklärten Umständen im Gefängnis, und der ebenfalls inhaftierte Expräsident Olusegun Obasanjo kam Ende letzter Woche in ein Gefängniskrankenhaus.

Die jetzt verhafteten Generäle Diya, Adisa und Olanrewaju gehören alle zum Yoruba-Volk, das im Südwesten Nigerias um die Wirtschaftsmetropole Lagos konzentriert ist und eine Bastion der Opposition gegen das von Nordnigerianern dominierte Militärregime darstellt. Im Südwesten war die Beteiligung zu den Wahlen vom 6. Dezember, als Parlamente für die 36 Bundesstaaten bestimmt wurden, am geringsten.

Aus Diplomatenkreisen verlautete, in der Nacht zum Sonntag seien in der nigerianischen Hauptstadt Abuja Schüsse zu hören gewesen. Am 13. Dezember war der jetzt verhaftete Stabschef Oladipo Diya knapp einem Bombenanschlag auf dem internationalen Flughafen von Abuja entgangen, auf dem seitdem strengste Sicherheitsvorkehrungen gelten.

Wenige Tage später sollte Diya der Präsentation einer Autobiographie des ehemaligen Marinechefs, Vizeadmiral Akin Aduwo, in Lagos beiwohnen. Bei diesem Ereignis hielt Aduwo eine Rede, in der er Nigerias Politiker drängte, die Wahlen von 1998 nicht zu boykottieren – eine relativ deutliche Aufforderung, eventuell auch gegen Juntachef Abacha anzutreten. Der Gouverneur des Bundesstaats Lagos, Leutnant Mohammed Marwa, verlas dann einen Redetext des verhinderten Diya, in dem dieser den „selbstlosen“ Einsatz des pensionierten Aduwo für sein Vaterland würdigte.

Es ist denkbar, daß solche Worte jetzt auch als Kritik am Staatschef gewertet werden können, zumal viele pensionierte nigerianische Militärs dem Abacha-Regime kritisch gegenüberstehen.