Plutonium im Pappkarton auf Halde transportiert

■ Der Schnelle Brüter Dounreay ging 1959 in Betrieb. Unfälle und Skandale reihen sich seitdem

Dublin (taz) – Es sei ein höchst unwillkommenes Weihnachtsgeschenk, das aus Hanau nach Dounreay im Norden Schottlands geschickt werden soll, sagte Rose Young von Greenpeace gestern zur taz. Es geht um 59 Kilogramm Plutonium, die seit sechs Jahren in dem Atombunker in Hanau lagern. In Dounreay soll das Material teilweise wiederaufarbeitet und dann in die Wiederaufarbeitungsanlage Sellafield weitergeschickt werden.

Das Plutonium soll von Bremerhaven ausgerechnet an Bord der Arneb transportiert werden, einer Ro-Ro-Fähre (Roll on, roll off), die von den Vereinten Nationen als „besonders anfällig für menschliches Versagen“ bezeichnet wurde. Obendrein herrscht ab heute nacht im Norden Schottlands Sturmwarnung. Doch selbst wenn die Ladung unbeschadet in Dounreay ankommen sollte, ist noch längst nicht alles überstanden: Die Atomanlage gilt als unsicherste der Welt. In ihrer knapp vierzigjährigen Geschichte wimmelt es von haarsträubenden Zwischenfällen und Vertuschungen.

Als Dounreay im Jahre 1959 als erster Schneller Brüter in Betrieb genommen wurde, feierte man das neue Zeitalter: Der Reaktor würde für alle Zeiten seinen eigenen Treibstoff produzieren, Stromrechnungen würden einen Penny im Jahr betragen. Damals bohrte man einen 75 Meter langen Schacht in den Felsen neben der Anlage, durch den Material von niedriger Strahlung in den Atlantischen Ozean geleitet werden sollte.

Dann kam den Managern die Idee, das untere Ende des Schachts zu verschließen und ihn als Atommüllkippe zu benutzen. Sicherheitsvorkehrungen gab es nicht. Die Arbeiter schleppten den radioaktiven Abfall in offenen Pappkartons und leeren Farbeimern über das Gelände und warfen ihn ins Loch, das sich mit Meerwasser gefüllt hatte. Schwammen die Eimer an der Wasseroberfläche, so schoß man mit Luftdruckpistolen Löcher hinein.

Da niemand Buch führte, weiß keiner, was sich da alles angesammelt hat. Fest steht lediglich, daß es sich um mindestens 50 Kilogramm hochangereichertes Uran und Plutonium handelt. 25 Jahre lang hielt man das giftige Gemisch geheim, selbst als tonnenweise Borkarbid zur Stabilisierung in den Schacht gekippt werden mußte, geschah das heimlich. 1977 flog das Ganze in die Luft: Die Kühlmittel Sodium und Potassium hatten mit dem Wasser reagiert, wodurch sich Wasserstoff bildete.

Das radioaktive Material wurde auf die Strände geschleudert; die Leukämierate bei Kindern in der Umgebung stieg steil an. Doch noch immer log die Regierung über die Unfälle im Atomkraftwerk. Erst Anfang diesen Monats gab man zum erstenmal zu, daß es ein Fehler war, den Schacht als Müllkippe zu benutzen. Roy Nelson, Direktor der Anlage, entschuldigte sich bei der Bevölkerung: „Wir haben Dinge getan, die wir nicht hätten tun dürfen.“

Das Geständnis kommt zu einem Zeitpunkt, an dem eine Katastrophe droht: Der Felsen, in dem sich der Schacht befindet, ist verwittert und kann jederzeit brechen. Nun soll der Müll wieder ausgebuddelt und in Container gelagert werden. Da der Cocktail explodieren könnte, wenn er bewegt wird, will man ihn einfrieren und Schicht um Schicht abtragen. Die Aktion wird rund 30 Jahre dauern und bis zu einer Milliarde Pfund kosten. Ralf Sotscheck