Mit brennenden Augen

■ Weil der Fernsehzuschauer soviel gucken muß, kann er oft gar nicht mehr damit aufhören. Eine kleine Weihnachtswarnung mit Happy End

Fernsehen ist eine Qual. Es hat mich in seiner Gewalt. Mein Hirn ist von all diesen gefährlichen TV- Strahlen schon ganz weichgekocht, zermanscht, und wo bei anderen die Vernunft regiert, da ist bei mir eine schäbige Fernbedienung aus Plastik. Wenn der Apparat erst mal läuft, dann läuft er eben, und die Energie, die ich aufbringen müßte, ihn abzuschalten und die Treppe hoch und ins Bett zu gehen, ist entschieden zu groß für mich.

Ungleich größer jedenfalls als die Anstrengung, die nötig ist, einfach zu verharren, bewegungslos, nur mit dem Zeigefinger auf der Fernbedienung herumzuckend und hoffend, daß auf irgendeinem der anderen Sender vielleicht doch noch etwas Vernünftiges läuft. Was um drei Uhr nachts natürlich nicht zu erwarten ist. Macht aber nichts. Die Augen brennen schon, und ich denke an die Arbeit von morgen, die ich wieder nicht zeitig beginnen werde können, weil ich wieder zu lange ferngesehen habe, viel zu lange, zu viel Dreck ins Hirn gekippt.

Aber ich bleibe, betrachte TJ Hooker, werfe einen Blick auf den aufgezeichneten Jürgen Fliege, frage mich, warum ich das eigentlich tue, schalte um und sehe Johannes B. Kerner. Dauerwerbesendungen waren ja eine Zeit lang lustig, aber das ist schon lange vorbei. Regnet es draußen, oder schneit es? Keine Ahnung, zum Fenster kann ich nicht zappen, dahin müßte ich mich ja umdrehen. Verschlüsselter Geschlechtsverkehr auf Premiere, bäh, wo sind die Zigaretten?

Und plötzlich, ganz unverhofft, erscheint das Gesicht einer Frau auf dem Bildschirm, die mich erlösen wird, ich weiß es, denn das hat sie schon oft getan. Schön ist sie nicht gerade, eigentlich geradezu häßlich und irgendwie ordinär. Sie trägt Leder und eine Peitsche. Ihre Lippen bewegen sich, aber ich weiß nicht, was sie sagt, nie weiß ich das, denn irgendwer hat eine Synchronstimme darübergelegt, und so dringt die Botschaft an mein Ohr: „Ruf – mich – an“, immer unterbrochen von einem Peitschenknall, eingeblendet eine Nummer.

Die Dominahexe will offenbar, daß ich sie anrufe. Nein, denke ich, nein nein, das hättste wohl gerne, so weit kommt's noch. Und bei diesem Gedanken muß ich lachen. Ich schalte endlich ab. Stefan Kuzmany