Nach Jahren wieder Frieden stiften

Die USA sind wieder an einer Vermittlung im afghanischen Bürgerkrieg interessiert, und erste Erfolge stellen sich ein. Die UNO bestätigt, daß in diesem Jahr rund 2.000 Taliban-Kämpfer bei Massenhinrichtungen starben  ■ Von Bernard Imhasly

Delhi (taz) – 2.000 Leichen, verscharrt in Massengräbern und gefangene Taliban-Kämpfer, die lebendig in rund dreißig Meter tiefe Brunnen gestoßen wurden und dort starben: Nachdem diese Greueltaten von Anhängern des ehemaligen Chefs der Anti-Taliban-Miliz bekannt geworden sind, mehren sich nun Hinweise darauf, daß die wichtigsten Vermittler im afghanischen Bürgerkrieg, die UNO, die USA und der Iran, ihre Friedensbemühungen verstärken.

Das Massaker an Taliban-Kämpfern vom Juni hatte in der vergangenen Woche offizielle Bestätigung gefunden, nachdem Choong- Hyun Paik, Berichterstatter der UNO-Menschenrechtskommission, die Massengräber im Norden des Landes mit eigenen Augen sah. Es zeigt einmal mehr die dringende Notwendigkeit einer internationalen Vermittlung in dem vor fünf Jahren wieder ausgebrochenen Bürgerkrieg.

Die Initiative für eine schnellere Gangart geht von den USA aus, die sich in der ersten Amtszeit Präsident Clintons zunächst wenig für den Konflikt interessierten – war doch 1992 die pro-sowjetische Regierung gestürzt worden. Doch die Menschenrechtsverletzungen der Taliban, die sowohl von Madeleine Albright als auch von Hillary Clinton gegeißelt wurden, haben zu einem Sinneswandel beigetragen. Vor dem Senat erklärte der stellvertretende Unterstaatssekretär für Südasien, Karl Inderfurth, der Bürgerkrieg verhindere amerikanische Anstrengungen für ein unabhängiges Zentralasien. Er blockiere außerdem die Entwicklung von Energieressourcen und Handelsbeziehungen zwischen Zentral- und Südasien.

Washington hat in den vergangenen Monaten wesentlich dazu beigetragen, daß bereits drei Runden der sogenannten „Sechs plus zwei“-Gespräche stattfinden konnten: Die sechs Anrainerstaaten Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, China und Pakistan verhandelten in Anwesenheit von Rußland und den Vereinigten Staaten. Die Gespräche werden von der UNO koordiniert.

Das verbessert auch die Chancen für die Initiative, die UNO-Generalsekretär Kofi Annan vor kurzem beim Gipfel der Organisation Islamischer Staaten (OIC) präsentierte. Er skizzierte einen Prozeß in drei Schritten, der mit einem Waffenstillstand und Waffenembargo beginnen, in eine internationale Zusammenkunft aller interessierten Parteien münden und mit der Installation einer breit gestützten Regierung in Kabul enden soll. Vergangene Woche machte der UN-Sicherheitsrat einen ersten Schritt in diese Richtung, als er einen Bericht über die Durchführbarkeit eines Waffenembargos bestellte. Und nach den ersten „Sechs plus zwei“-Gesprächen kündigte sich an, daß das Verhältnis zwischen den USA und Iran auftaut.

Von besonderer Bedeutung ist die Haltung Pakistans. Selbst amerikanische Diplomaten deuten an, daß es fast leichter sei, in Verhandlungen mit dem feindlichen Iran voranzukommen als mit Pakistan. Über dessen durchlässige Grenze zum Nordwesten Afghanistans läuft nicht nur der Nachschub von Waffen und der von Drogen, als wichtigstes Zahlungsmittel für die Waffen; Pakistan ist auch der entscheidende politische Bundesgenosse der Taliban. Erst am Wochenende hatte Premierminister Nawaz Sharif Nahrungsmittelhilfe für die schiitischen Hazaras in Zentralafghanistan angekündigt, die durch Blockaden von Taliban- Kommandanten von einer Hungersnot bedroht sind. Das Angebot sei ein Zeichen dafür, daß Pakistan die Interessen des ganzen Landes im Auge habe. Dabei ist bekannt, daß es in Islamabad seit Jahren schon unterschiedliche Haltungen und Verhaltensweisen gegenüber Afghanistan gibt – und nicht immer ist die offizielle jene, die sich durchsetzt.

Für das Gelingen eines Friedensprozesses sind ohnehin in erster Linie die Taliban entscheidend. Sie kontrollieren mehr als zwei Drittel des Landes und haben mit ihrem Ziel einer totalen militärischen und ideologischen Unterwerfung des Gegners bisher jeden Kompromiß unmöglich gemacht. Zwar gibt es inzwischen Anzeichen, daß sich unter ihnen auch pragmatische Kräfte befinden; aber die konnten sich offenbar noch nicht durchsetzen.

Internationaler Druck auf die Taliban und ihre Sponsoren Pakistan und Saudi-Arabien könnte diesen Pragmatikern Auftrieb geben. So wurden die Taliban nicht zum OIC-Gipfel nach Teheran eingeladen – was die selbsternannten Garanten des „reinsten“ islamischen Staatswesens verärgerte, waren sie vor einem Jahr doch als Beobachter zugelassen.

Die USA versuchen derweil trotz harscher Kritik an der laut Außenministerin Madeleine Albright „verabscheuungswürdigen Menschenrechtspolitik“, die Taliban aus ihrer selbstgewählten Isolation herauszuführen. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Vertreter als Gäste der Erdölfirma Unocal ins Land gelassen und deren Anwesenheit für informelle Kontakte genutzt.