Herr Diederichsen und die Dschungelwelt Von Wiglaf Droste

„Nur verdankt sich die konzeptuelle Stringenz noch zu sehr einem alten, dichotomen Denken in Departements entlang der Basis- Überbau-Unterscheidung.“ So kann nur einer schreiben in D-land: DD, Diedrich Diederichsen.

In der neuen Spex handelt er unter der Überschrift „Nouvelle Design“ das Verhältnis von Gestaltung und Text u.a. in der Wochenzeitung Jungle World ab. Das Layout bekommt eine sehr gute Note – „Die Jungle World tritt optisch souverän auf“ –, aber bei den Texten muß der Lehrer noch schimpfen: „So wird in den Spalten der Jungle World die unselige Trennung von Kultur und Politik nicht nur fortgeschrieben: Der Kulturteil bringt selten mehr als die üblichen Verdächtigungen der üblichen Verdächtigen, denen nur selten zugute kommt, daß sie als Texte nun ein paar Tage mehr Zeit haben als vormals bei der jungen Welt.“

Hmmh – haben jetzt wirklich die Verdächtigen als Texte ein paar Tage mehr Zeit? Und was machen die damit, die Verdächtigen? Ferien? Mal so richtig ausspannen? Oder sind vielmehr die Verdächtigungen textgewordene Freizeit? Egal; das inhaltliche „Hinterwäldlertum“, wie Diederichsen es nennt, scheint ihm von der „gestalterischen Konzeption längst überwunden“, und so formuliert er seine Hoffnung in der ihm eigenen Art: „Wenn noch die Texte so transgressiv werden wie das Layout“ – dann, ja dann wird alles gut. Beziehungsweise transgressiv. Hossa!

Wie so mancher von Diederichs Texten aber belegt auch dieser bei genauem Hinsehen: Der Mann hat durchaus Gedankengang – er kann's nur nicht so zeigen. Entkleidet man seine Sätze ihrer angeberischen Aufgedunsenheit, bleibt ein Rest Wahrheit übrig. „Die üblichen Verdächtigungen“ etwa ist ein sehr euphemistischer Ausdruck für das, was sich im Kulturteil der Jungle World austobt. Hier führt der frühere Kulturredakteur der jungen Welt, Stefan Ripplinger, eine Privatfehde gegen die junge Welt und ihre Autoren.

Das klingt nach langweiligem linkem Familienkrach und ist es auch; die Monstrosität indes, mit der Ripplinger zu Werke geht, verdient zumindest psychologisches Interesse. Befeuert vom alten Leitspruch „Wer als erster ,Fascho!‘ sagt, hat gewonnen“, macht Ripplinger sich und die Jungle World zur Top-Instanz für Denunzianz. Da die junge Welt, so seine Prämisse, ein antisemitisches Blatt sei, müsse, so folgert der furchtbare Hobby-Jurist, auch jeder ihrer Autoren Antisemit sein. Zwar ist beides gelogen; da aber Ripplinger seinen Kopf einem Kreuzzug untergeordnet hat, ist ihm jedes Mittel recht – notfalls fälscht er auch ein Zitat.

Nachdem nämlich Klaus Bittermann in seiner jungen Welt-Kolumne „Das Who's Who peinlicher Personen“ die notorische Alarmanlage Tilman Zülch für den Ausspruch vom „deutschen Versagen in Genozid-Dingen“ heftig attackiert und Zülch retour beim Presserat eine Rüge dagegen erwirkt hatte, schob Ripplinger eben dieses Zülch-Zitat Klaus Bittermann in die Schuhe, um ungestört sein Urteil fällen zu können, Bittermann habe „– wie Zülch selbst – die Opfer (des Holocaust) instrumentalisiert. (...) Mitgefangen, mitgehangen, Genosse Bittermann.“ (Jungle World 48/97) Und auch so kann in D-land nur einer schreiben: einer, dem auch die Shoah eine Projektionsfläche ist, auf der er seine öden Streitigkeiten austrägt.

Ob da, wie Herr Diederichsen glaubt, ein hübsches Layout helfen wird?