Dittmeyers Fernsehjahr

■ Das TV-Geschehen: Notiert, sortiert und alphabetisch eingemottet

arte

...feierte in diesem Jahr auch mal einen Erfolg. Man sandte Spähtrupps in die Sündenpfuhle, und so kam es zum Themenabend „Sex ohne Grenzen – Das Milliardengeschäft mit der Lust“, der stolze 8,9 Prozent Marktanteil und erheblichen Lustgewinn einbrachte. Trotzdem, DSF, Wetterkanal, Phoenix, n-tv und ihr anderen Quotenminimalisten – bitte KEINESFALLS nachmachen. Die Kritikeravantgarde aber geriet darob nicht in Wallung – sie starrte teilnahmslos aus dem Fenster und verzehrte sich nach Fitz.

Buster, Dolly

Was ihren XXX-Filmen billig war, nämlich den schmerzhaft ins Trommelfell stechenden Diskant der Hauptdarstellerin durch den lockenden Wohllaut einer geschmeidigen Synchronsprecherin zu ersetzen, sollte eigentlich auch RTL2 recht sein.

Conan

Wurde vom ZDF angeheuert, die Quoten zu stemmen. Als ob im „Musikantenstadel“ und ähnlichen Etablissements nicht schon genügend Barbaren am Werke wären. Der Kritikeravantgarde war's freilich egal. Den Fitz kann ihr niemand ersetzen.

Direktverbindung

ZDF-Intendant Stolte machte sein Versprechen wahr, die Weichen für die Zukunft stellen zu wollen, und ließ von der Bahn einen Sonderzug auf die Gleise stellen, der ahnungslose Fahrgäste beispielsweise zur „Superhitparade der Volksmusik“ transportiert. Welch böses Erwachen.

Einsatzfreude

Birgit Schrowange zeigte in „Life – Die Lust zu leben“ keine Extremsportart, bei der sie nicht selber vorher gehörig auf die Schnauze gefallen war. Ein bißchen Schadenfreude geht in dem Fall völlig in Ordnung.

Feldbusch, Verona

Zog kometengleich am Firmament strahlend ihre Bahn. Im Schatten des Glücksrads aber saß Maren Gilzer und weinte bitterlich. Auch unsere Kritikeravantgarde fand keinen Trost. Schmerzlich entbehrte sie Fitz.

Geldgeber

Pro7 investierte 30 Millionen Mark für Comedyprogramme. Dennoch wirkten die Pointen ziemlich billig. Wie exquisit erscheinen im Vergleich die eleganten Sottisen eines Fitz...

Hauptsendezeit

Reumütig gewährte Sat.1 seinen Zuschauern wieder das akademische Viertel und verzichtete auf Anfangszeiten mit der Doppelnull. Seither geht's bergauf. Nur die Kritikeravantgarde verweigert sich bockig und will nichts anderes als Fitz.

Institutionen

In der „Praxis Bülowbogen“ ereignete sich ein fliegender Kittelwechsel. Harry Wijnvoord muß zurück zur Kaffeefahrt. Jacques Cousteau zog in die Ewigen Fischgründe ein. Heike Makatsch ging baden. Und wo bleibt Fitz?

Jahr des Affen

Der Schimpanse ist der beste Freund des fernsehschaffenden Menschen. Bei RTL wedelte „Kommissar Schimpanski“ mit seinen Extremitäten, das ZDF fand ebenfalls einen Platz für Tiere und überschrieb sein Produkt, Erinnerungen an den großen Sozialklassiker „Unser Walter“ wachrufend, mit den integrativen Worten „Unser Charly“. Kabel1 hatte noch den guten alten „Daktari“ im Regal und ließ die Bananenfresser Judy und Toto von der Leine, RTL2 brachte mit Joe Lara den aktuellen Darsteller des Primatenzöglings „Tarzan“ ins Spiel. Auch andernorts ging's zuweilen affig zu in diesem Jahr.

Kinderwünsche

„Mit der Konzentration auf die bei Kindern beliebteste Zeit am Samstagvormittag und -nachmittag sowie am Sonntagmorgen“ komme, so ZDF-Intendant Prof. Dieter Stolte im September, der Sender den Wünschen der Kinder entgegen. Unkonzentriert und gedankenverloren ließ die Kritikeravantgarde auch dies durchgehen, seufzte laut und dachte immerfort an Fitz.

Licht

...an, SPOT aus. Das gleichnamige Sat.1-Magazin erlosch nach kurzem, aber grellem Aufflackern. Wen wundert's, wenn man ein Interview mit Harrison Ford wie folgt ankündigt: „Als Indianer Jones bestand er phantastische Abenteuer rund um den Erdball...“ Jetzt müssen alle Beteiligten zurück ins Reservat.

Medienkompetenz

Fehlt an allen Ecken und Enden. Nur so konnte es Sat.1 gelingen, einen in der Reihe „Schwurgericht“ bereits gesendeten Fernsehfilm mit geändertem Entstehungsjahr und Titel erneut zu plazieren und mit diesem Streich nicht nur zwei Millionen Zuschauer mehr als bei der Erstausstrahlung aufzugabeln, sondern obendrein die Presse zu foppen. Auch das ZDF ist nicht schwindelfrei: hinter dem angeblich 1990 gedrehten Spielfilm „Verrückte Hochzeit“, am 20. November im Programm, verbarg sich die wiederholt ausgestrahlte Komödie „Wer hat den Schenkel von Jupiter geklaut?“ aus dem Jahr 1980. Aber so schnell läßt sich ein alter Sehbär nicht hinters Licht führen. Das hat er mit Fitz gemeinsam.

Nachspann

Auslaufendes Modell. Wird auch von ARD und ZDF immer häufiger ohne Rücksicht auf Kastrationsängste kupiert. Da erhebt sich doch die Frage: Muß man eigentlich die volle Rundfunkgebühr zahlen, wenn die Ware unvollständig geliefert wird?

Original

Wetternd und geifernd tauchte der Giftzwerg Alfred Tetzlaff aus der Versenkung auf und erschimpfte sich Quoten, von denen andere nur träumen. Da schadete weder ein langer Vorspann noch daß die ersten Folgen in Schwarzweiß gedreht worden waren. Das sollte zu denken geben. Bloß wem?

Preisträger

...des Jahres ist ohne Zweifel Harald Schmidt. Keine Trophäe im Medienbereich, die er nicht abgeräumt hätte. Seit wann versteht man denn Spaß im deutschen Fernsehen? Wir wissen es: seit Auftauchen des großen Wohltäters Fitz.

Quasselschau

„Talken kann jeder“, suchte Christoph Schlingensief mit seiner Sendereihe „Talk 2000“ zu beweisen. Es lief dann aber doch volle Kanne aufs Gegenteil hinaus. Der Kritikeravantgarde war's einerlei, sie zog eine Schnute und träumte trotzig von Fitz.

Ruge, Nina

Machte sich gut als Schreckgespenst zur Geisterstunde, wechselte aber von den Nachtnachrichten in die frühe Prime-time und spreizt sich mittlerweile im Vorabendprogramm. Nicht mehr fern scheint der Tag, an dem Nina verdammt früh aufstehen muß.

Saft

Fehlte Friedrich Küppersbusch, als er unter Mittäterschaft Roger Willemsens in seiner letzten Sendung nicht nur den Bogen überziehen wollte. Die Kritikeravantgarde ließ all das kalt. Sie mummte sich in ihr Edelfedernkleid und weilte gedanklich in Manchester bei Fitz. Mit Ausnahme des Kritikers vom Spiegel. Der hatte sich verrannt und war schon wieder in Liverpool gelandet.

Trauerfälle

Die Love Parade für die Ekstatiker der älteren Jahrgänge: Lady Dis Triumphzug im Liegewagen.

Und tschüs

Hugo der Virtuelle zerfiel in seine Pixel, Tappert meldete sich ab, Zimmermann ist schon weg, und ohne Karin Tietze-Ludwig wird auch das deutsche Glücksspielwesen nicht mehr sein, was es einst war.

Vereinswechsel

Das ZDF bestallt Johnnes B. Kerner als Programmfaktotum, die ARD nimmt Reinhold Beckmann zurück. Schon vergessen, was passierte, als Fred Kogel heimtückisch Margarethe Schreinemakers mit RTL verkuppelte?

Wetterkanal

Gemäß einer Umfrage der Programmzeitschrift TV Hören und Sehen ist dieser Kanalstopfen „der unwichtigste Fernsehsender“ überhaupt. Wenn also bitte mal jemand abschalten könnte... Die Kritikeravantgarde aber scherte sich nicht ums Wetter. Bebrillt, aber tränenblind analysierte sie lustlos vor sich hin und dachte immer nur an Fitz.

XY-Zimmermann

Diese Personalakte konnte 1997 geschlossen werden. Die Hatz aber geht weiter, inzwischen auch bei Sat.1 unter dem Titel „Fahndungsakte“. Langsam wird's Zeit, daß mal wieder jemand ein paar Terroristen in die Welt setzt. Vorerst begnügte man sich mit dem Schwerpunktthema „20 Jahre Deutscher Herbst“. Nein, diese Schlaghosen damals...

Yachten

...können Götz George nicht umbringen. Aber die schlechten „Schimanski“-Drehbücher machten ihn beinahe platt. Da sind wir besseres gewohnt. Siehe „Für alle Fälle...“ – na, Sie wissen schon.

Zukunftsaussichten

Am 1. Januar gibt's endlich wieder Fitz.