Notoperation

■ Der IWF zieht die Auszahlung von Krediten an Süd-Korea vor

Am 24. Dezember haben der Internationale Währungsfonds (IWF) und 13 Industriestaaten angekündigt, vorzeitig Kredite im Umfang von zehn Milliarden US- Dollar an Süd-Korea auszuzahlen. Zwei Milliarden Dollar will der IWF noch bis zum Jahresende überweisen, die acht Milliarden der Industrieländer werden Anfang Januar folgen. Die Auszahlungen sollen das Vertrauen in die südkoreanische Wirtschaft stärken. Diese Gelder sind keine neuen Kredite, sondern gehören bereits zum 57-Milliarden-Dollar-Finanzpaket, das Seoul und der Währungsfonds Anfang des Monats zur Sanierung des ehemaligen Muster-Tigerstaats ausgehandelt haben. Süd-Koreas Aktien- und Devisenmärkte reagierten gestern auf die Ankündigung der vorgezogenen Auszahlung mit deutlichen Kurserholungen. Manche Stimmen sprechen bereits davon, daß die Krise nun ihren Höhepunkt überschritten habe.

Was auf den ersten Blick nach einem Weihnachtsgeschenk des IWF aussieht, ist in Wirklichkeit eine wenig vertrauenserweckende Notoperation. Im nächsten Monat muß Süd-Korea 15 Milliarden Dollar kurzfristiger Schulden zurückzahlen, während die Devisenreserven nur noch 8,7 Milliarden Dollar betragen. Die notwendig gewordene Abwendung des Bankrotts zeigt, daß weder den bisherigen Beteuerungen der Regierung in Seoul noch des IWF geglaubt werden kann, die Krise sei mit dem IWF-Paket unter Kontrolle. Die Regierung hatte erst Anfang der Woche eingestehen müssen, daß die Auslandsschulden des Landes mit rund 200 Milliarden Dollar doppelt so hoch sind wie bisher angenommen.

Vom IWF, der vor wenigen Monaten keine Krisenzeichen feststellte, war noch letzte Woche zu hören, das Finanz- und Reformpaket sei ausreichend und bedürfe keinerlei Änderungen. Nur wenige Tage später mußte der IWF frühzeitige Auszahlungen verkünden, weil sonst Schlimmeres gedroht hätte. Die Krise in Süd-Korea wird somit auch zu einer Vertrauenskrise des IWF. Heute ist mehr denn je zu bezweifeln, daß das alle Rekorde sprengende IWF-Finanzpaket zur Bewältigung der Krise Süd-Koreas ausreicht. Die an Heiligabend vereinbarte vorzeitige Auszahlung hat Süd-Koreas Bankrott vorerst abgewendet, das Vertrauen in die Fähigkeiten zur Krisenlösung ist damit jedoch nicht gestiegen. Sven Hansen

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