Späte Rente für KZ-Überlebende

■ Nach langer Weigerung ist die Bundesregierung offenbar bereit, doch noch individuelle Renten an osteuropäische Holocaust-Überlebende zu zahlen. Um das Gesicht zu wahren, will Bonn den Umweg über einen Fonds wählen

Berlin (taz) – Vertreter der Bundesregierung und der Jewish Claims Conference (JCC) haben sich nach Informationen der taz in den strittigen Fragen einer Entschädigung für die osteuropäischen Überlebenden des Holocaust prinzipiell geeinigt. Die Verhandlungsergebnisse sollen in der ersten Januarhälfte zwischen Kanzleramtsminister Bohl und JCC-Vizepräsident Singer schriftlich fixiert und bekanntgegeben werden. Bisher waren die Gespräche daran gescheitert, daß sich die Bonner Regierung weigerte, über einen einmaligen Betrag hinaus regelmäßige Zahlungen zu leisten.

Ein neues Modell soll nun den Weg aus der festgefahrenen Position weisen: Die Bundesregierung gründet einen Fonds, an den sie dreimal im Jahr Geld überweist. Der Fonds wiederum wird von der JCC verwaltet und zahlt monatliche Renten an die Überlebenden. Die Bundesregierung kann damit ihre Auffassung wahren, und die KZ-Überlebenden erhalten trotzdem eine regelmäßige Entschädigung. 53 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus bekämen dann nicht mehr nur SS-Veteranen in Osteuropa ihre im Bundesversorgungsgesetz geregelte Opferrente. Auch die jüdischen Überlebenden könnten dann eine wenn auch geringere Zuwendung erhalten.

Im November hatten sich Vertreter der JCC und des Kanzleramts zwar darauf geeinigt, daß der Kreis der Berechtigten 17.000 bis 20.000 Personen umfassen soll. Doch der Modus der Entschädigung blieb ebenso umstritten wie die Höhe möglicher Zahlungen. Zuletzt trafen sich am 15. Dezember Vertreter der JCC und der Bundesregierung. „Alle strittigen Punkte sind auf Beamtenebene besprochen, es gibt aber noch keine Entscheidung, wie die Zahlungen erfolgen sollen. Dies muß das politische Gremium entscheiden“, kommentiert jetzt ein Regierungssprecher. Georg Berman, Sprecher der JCC in New York, nennt die Gesprächsergebnisse „unterstützende Dokumente für das folgende politische Treffen“. Optimistischer betrachtet Andrew Baker, der als Vertreter des American Jewish Committee (AJC) an den vorangegangenen Gesprächen teilgenommen hatte, den Stand der Verhandlungen: „Beide Seiten waren mit den Ergebnissen vom 15. Dezember zufrieden. Und unsere Sichtweise der Dinge war dabei ja immer klar: Das Ziel ist, eine regelmäßige Zahlung für die Überlebenden des Holocaust in Osteuropa zu sichern.“

Trotz des vorsichtigen Optimismus bleibt die Jewish Claims Conference noch skeptisch. „Die Bundesregierung kann immer noch mit ihrer ursprünglichen Position einer Einmalzahlung vom Verhandlungstisch aufstehen und damit die Gespräche platzen lassen“, sagte ein weiterer Teilnehmer der Gespräche. Die Befürchtung ist nicht aus der Luft gegriffen – noch liegt keine schriftliche Formulierung für die jetzige Einigung vor. Vor einem Monat standen die Verhandlungen vor einem Eklat, als Beamte des Bonner Finanzministeriums die monatlichen Zahlungen rundweg ablehnten und über die Höhe möglicher Zahlungen gar nicht erst gesprochen wurde. Die damalige Begründung: Wenn man sich auf eine Rentenregelung einigte, würden auch die nichtjüdischen KZ-Überlebenden Forderungen stellen. Deshalb könne man auch den jüdischen Überlebenden nichts zahlen. Gegenüber den Juden in Westeuropa, den USA und Israel hatte sich Bonn bereits 1992 zur Zahlung verpflichtet.

Im Gegensatz zu Überlebenden des Holocaust in westlichen Ländern haben die Betroffenen im Machtbereich der früheren Sowjetunion bisher weder individuelle Entschädigungen noch Renten erhalten. Einigen mittel- und osteuropäischen Staaten wurden pauschale Leistungen gezahlt. Die Jewish Claims Conference wurde 1951 von 23 jüdischen Organisationen gegründet, um deutsche Reparationszahlungen für Holocaust-Opfer außerhalb Israels zu verwalten. Barbara Junge

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