Thinius, Lamszus und Kahl – Die Pfadweiser neben Ossietzky

Das Programm des Pfadweiser-Verlages liest sich wie ein Who is Who der frühen Hamburger Friedensbewegung. Initiator und Motor dieses mutigen Unternehmens war aber nicht Ossietzky, sondern Carl Thinius (1889 - 1976). Bereits 1912 hatte er mit Ossietzky und Wilhelm Lamszus in der Hamburger Ortsgruppe des Deutschen Monistenbundes zusammengearbeitet. Seine Erlebnisse an der russischen Front bestärkten Thinius 1919 in der Gründung des Verlages, den er zum Sammelbecken für reformerische Ansätze machte und eng mit dem geistigen und personellen Umfeld der Hamburger Monisten verflocht.

1920 stellte Thinius seinem Unternehmen, das dem Leipziger Fachverband der Buchhändler ein Dorn im Auge war, den radikaleren „Pionier-Verlag“zur Seite. Ab 1922 brachte er die Zeitschrift Der Pionier heraus, ein „Blatt der Unterdrückten und Totgeschwiegenen“und erklärtes „Kampforgan pazifistischer und freigeistiger Verbände“. 1923 erreichte es 10.000 Exemplare Auflage, wurde im Januar 1924 jedoch wegen „Aufreizung zum Klassenhaß“verboten. Ab April 1926 konnte Thinius es ein weiteres Jahr lang produzieren, nahm den Pionier dann aber aufgrund finanzieller Probleme endgültig vom Markt.

Anschließend hielt der Verleger sich mit journalistischer Arbeit über Wasser, gründete ein Radiogeschäft und ging 1937 als Sachbearbeiter zur Hamburger Sozialbehörde. Von 1943 bis zum Kriegsende war er Häftling in einem KZ; 1945 trat Thinius wieder in den Hamburger Staatsdienst.

Auch August Kahls Name ist mit der monistischen Bewegung und dem Pfadweiser-Verlag eng verbunden. Über die politische Arbeit des 1874 in Heidelberg geborenen Kaufmanns gibt eine Akte der Politischen Polizei Auskunft: Eine Anzeige „wegen Anarchie“trug ihm zeitweiliges Redeverbot ein. Am 12. Februar 1900 war er Gründungsmitglied der Monistischen Gesellschaft und deren 1. Vorsitzender. Nach Entstehen des Deutschen Monistenbundes referierte er 1918 in Hamburg mehrfach über Religion, Naturwissenschaft und Gesellschaft. Später erschienen seine Vorträge in den unterschiedlichen monistischen Schriftenreihen.

Wilhelm Lamszus (1881 - 1965) war der vergleichsweise bekannteste und erfolgreichste Pfadweiser-Autor. Schon 1912 sorgte der progressive Lehrer mit seinem Antikriegsbuch Das Menschenschlachthaus, in dem er einen Massenvernichtungskrieg voraussagte, für erregte Diskussionen. Gleichzeitig arbeitete auch er bei den Hamburger Monisten mit. 1919 schickt er der Neuauflage des Buches im Pfadweiser-Verlag einen Folgeband hinterher und wandte sich nach einem längeren Intermezzo im Bereich Belletristik an einer Barmbeker Versuchsschule wieder reformpädagogischen Ansätzen zu. 1933 erhielt Lamszus Schreibverbot und wurde in den vorzeitigen Ruhestand geschickt. 1962 ehrte die DDR den Hamburger Bürger mit einer Professur. Kay Dohnke