Im Gefängnis wird Kaunda wieder zum Helden

■ Sambias Regierung in Bedrängnis: Verhafteter Ex-Präsident ruft zur „zweiten Befreiung“ auf

Berlin (taz) – Es war ein Auftritt ganz nach dem Geschmack des alten Unabhängigkeitskämpfers. In grünem Anzug, passend zur Nationalfarbe seines Landes, trat Sambias verhafteter Expräsident Kenneth Kaunda am Samstag vor ein Gericht in der Hauptstadt Lusaka und rief in den Zuschauerraum: „Dies ist der Beginn der zweiten Befreiung!“ Nicht endenwollender Applaus folgte, woraufhin der prominente Häftling die Menge ganz staatsmännisch zum Schweigen aufforderte.

Neunzehn Polizisten umgaben Kaunda bei dieser Rede anläßlich seines ersten Haftprüfungstermins. Kaundas Verteidiger Sakwiba Sikota bezeichnete die massive Polizeipräsenz, die vertrauliche Gespräche mit seinem Mandanten unmöglich machten, als Einschüchterung. Staatsanwalt Sam Chisulo konterte, Kaunda habe schließlich auch sieben Anwälte. Schon von Anfang an wurde damit die Dimension des Rechtsstreites deutlich, den Sambias Regierung mit der Verhaftung des früheren Staatschefs Kaunda am Donnerstag vom Zaun gebrochen hat. Dem 73jährigen Kaunda wird Beteiligung am Putschversuch vom 28. Oktober vorgeworfen, als eine Handvoll Militärs unter Leitung des Kapitäns Stephen Lundu versuchten, die Regierung von Präsident Frederick Chiluba zu stürzen. Seitdem herrscht Ausnahmezustand in Sambia, über 80 Menschen, darunter zeitweise ein anderer prominenter Oppositionsführer, sind verhaftet worden.

Kaunda, der 1991 nach 28 Jahren Herrschaft als Diktator nach einer Wahlniederlage die Macht freiwillig an seinen Wahlgegner Chiluba abgab und seitdem seine Oppositionspartei UNIP führt, befand sich zum Zeitpunkt des Putschversuches auf Rundreise im südlichen Afrika. Aber der Expräsident, so erklärte Außenminister Keli Walubita nun am Freitag dem diplomatischen Corps in Sambia, habe davor in verbalen „Ausbrüchen“ zivilen Ungehorsam und Gewalt gepredigt, so daß die Festnahme gerechtfertigt sei.

Erst am vergangenen Montag war Kaunda zum ersten Mal seit dem Putschversuch nach Sambia zurückgekehrt – gegen den Rat seiner Partei, die um seine Sicherheit fürchtete. Am Dienstag wurde Kaundas Sicherheitschef Moyce Kaulung'ombe verhaftet. UNIP- Sprecher Muhabi Lungu nannte diesen Vorgang einen Versuch der Regierung, die anstehenden Gespräche zwischen Regierung und Opposition zur Entspannung der politischen Lage in Sambia zu torpedieren. „Es soll auch bedeuten, daß Kenneth Kaunda verhaftet, gefoltert oder möglicherweise umgebracht wird“, meinte er. „Alles ist möglich, aber wir sind bereit.“ Am Mittwoch sagte Kaunda einer UNIP-Versammlung, er rechne mit seiner Verhaftung, und warf Präsident Chiluba vor, ihn „beseitigen“ zu wollen. Am Donnerstag umstellten 100 Polizisten im Morgengrauen Kaundas Haus und nahmen ihn mit.

Der Zweck dieser Aktion ist unklar. Eine fertige Anklageschrift gibt es nicht. Der berühmte Staatsmann befindet sich im Hungerstreik und spielt angeblich Fußball mit seinen Mitgefangenen; seine Haftprüfung wurde verschoben. In den größten Städten Sambias sind Sondereinheiten der Sicherheitskräfte stationiert. Und die Allparteiengespräche, die eigentlich morgen beginnen sollen, sind geplatzt. Fast alle Oppositionsparteien haben ihre Teilnahme abgesagt. Dominic Johnson