■ Vorschlag
: Frühe Druckgraphik als Propaganda des Absolutismus im DHM

Absolutistisches Herrschertum gleichermaßen umrankt von veröffentlichter Lobhudelei und diffamierender Verspottung – denkt man da nicht gleich an die Politik? Natürlich, sogar im Deutschen Historischen Museum. Dort geht es aber nicht um Helmut Kohl, Bild und Titanic, sondern um die europäischen Herrschergrößen des 17. Jahrhunderts wie Ludwig XIV., Wilhelm von Oranien oder die englischen Könige Karl II. und Jakob II. Jene edlen Gestalten eben, die sich um die Manipulation der öffentlichen Meinung historische Verdienste erwarben. Ihrem „Krieg der Bilder“ widmet sich eine Ausstellung über die „Druckgraphik als Medium der politischen Auseinandersetzung im Europa des Absolutismus“, die das Kunst- als-Waffe-Prinzip quasi in ihren Ursprüngen aufzeigt.

Die Idee, mit Bildern Politik zu betreiben, spukte auch im Kopf eines Monsieurs Colbert, seines Zeichens kunstpolitischer Berater des Sonnenkönigs und Fan der Druckgraphik. Letzteres, weil sie nicht nur gut anzusehen, sondern auch gut zur Verkündung der kulturellen Überlegenheit Frankreichs zu gebrauchen war (ergo als Reliquie zur Ruhmesverbreitung in Hütten und Palästen).

Die von Colbert Anfang der 1670er Jahre geschaffene Publikationsform des Cabinet du Roi erfüllte die Aufgabe der künstlerischen Umsetzung fürstlicher Machtinszenierung trefflich. Doch wo der Drang zur Selbsthuldigung so nah ist, liegt das Motzen gegen den Feind nicht fern. Und so wurde im 17. Jahrhundert die Druckgraphik als das Medium entdeckt, mit dem die politische Propaganda in Europa dauerhaft Einzug halten sollte.

Die Zeiten dafür standen ohnehin günstig: Vor allem Engländer, Franzosen und Holländer lagen im ewigen Clinch um Thronposten, politischen und ökonomischen Einfluß auf dem Kontinent. Da waren Helfer jeglicher Couleur allemal willkommen und die unzähligen Kupferstichwerkstätten sowie Verlagshäuser mit der Produktion von Flugblättern, allegorischen und emblematischen Publikationen sowie Bildsatiren bald einigermaßen ausgelastet. Denn wenn's ums Durchsetzen ihrer Ziele ging, waren sich alle rivalisierenden Herrscher einig: Schneller tickt's, wenn man selber Zeiger dreht.

Im Wissen um die Leistung der modernen Bildpropaganda ahnt man natürlich, daß schon ihre mittelalterlichen Vorläufer die Nähe von Dichtung und Wahrheit wenig scheuten. Im Kriege sowieso, weshalb mobile Druckerpressen mit ins Felde zogen, um allerlei Grausames zu verbreiten – manchmal auch übertrieben dargestellte Kriegsgreuel, auf jeden Fall Spott und Beleidigung. Sie überkamen zum Beispiel die Armee des Prinzen von Oranien, der auf einem französischen Kupferstich von 1691 statt Soldaten eine Armee von ängstlichen Kaninchen, Mäusen und Ratten anführte. Nicht selten flatterten auch „Enten“ durch die Medien der damaligen Zeit. Auf einem Stich ließen die Franzosen den gegnerischen Heerführer Wilhelm im Kampfe fallen, was ihnen aber noch nicht reichte. Obendrein verspotteten die Nachrichtenfälscher auf dem Abbild des Trauerzuges einen Gefolgsmann als schwulen Freund des Toten. Und weil das Lächerlichmachen von Promis stets zu den liebsten Spielarten der Manipulateure zählte, entwickelte auch die Kunst der Karikatur erste Blüten in unverkennbarer Pracht. Bei den meisten Werken der Verfälschungskunst steckt der Teufel allerdings im Detail, weshalb der Ausstellungsbesucher schon die Kataloglektüre braucht, um Bosheit und Schmäh zu erkennen.

Nicht so bei jenem französischen Dorfalmanach, der am Ende des Pfälzischen Krieges 1697 erschien und mit seinen Motiven aus dem Alltag der einfachen Leute so simpel ist wie seine Erklärung vom Lauf der Welt. Der präsentiert sich schlicht als Glücksrad mit der immer wiederkehrenden Abfolge von Frieden, Überfluß, Hochmut, Krieg, Armut, Demut, Frieden usw. Das Leben dreht sich im Kreise: heute top, morgen Flop. Wer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft sehen will, empfiehlt der Verseschmied, kann sich gleich den Almanach kaufen. So innig waren Fatalismus und Geschäftssinn damals eher selten vereint – der unbekannte Propagandist war seiner Zeit noch weit voraus. Gunnar Leue

„Krieg der Bilder“ bis zum 3. März im DHM, Unter den Linden 2