Das Geld liegt auf dem Fahrersitz

■ Weil Räuber sich nicht bei Banken und Supermärkten versorgen können, häufen sich die Überfälle auf Taxifahrer an den Feiertagen. Polizei: weniger Bargeld, Zahlungsverkehr per Kreditkarte und Selbstvernich

Weil das Angebot für illegale Geldbeschaffer an den Feiertagen begrenzter ist, fahren Taxifahrer zur Weihnachtszeit am gefährlichsten. Zwischen Heiligabend und dem vergangenen Sonntag wurden Fahrer in sechs Fällen gezwungen, ihr Geld herauszurücken. Fast 20 Prozent aller Überfälle in Berlin wurden damit in diesem Jahr zur Weihnachtszeit begangen. Die Polizei geht davon aus, daß 1997 die Zahl der Überfälle gegenüber den 31 Vorfällen im Vorjahr leicht steigen wird.

Es sei „typisch, daß sich die Überfälle zur Weihnachtszeit häufen“, sagt Joachim Marquardt, Vorsitzender des Taxi Verbandes Berlin. Die Täter würden auf eine größere Kasse setzen. Die Polizei vermutet dagegen andere Motive: „Die Geschäfte sind geschlossen, die Banken sind zu“, erklärt Gabriela Gedaschke, Pressesprecherin beim Polizeipräsidenten. „Wenn man auf der Suche nach Liquidem ist, bleibt nur das Taxi übrig.“ Insgesamt habe es aber während der Feiertage nicht mehr Überfälle gegeben als sonst.

Nach Angaben der Polizei wurden in den letzten vier Jahren durchschnittlich 30 Taxifahrer ausgeraubt. Jeweils die Hälfte der Überfälle wurde aufgeklärt. Die Täter, die überwiegend im Schutz der Dunkelheit rauben, sind meist jüngere Männer – und Kleinkriminelle. Denn „der Stundensatz“ sei bei einer „Durchschnittsbeute von 100 Mark und der drohenden Freiheitsstrafe von mindestens fünf Jahren“ doch „sehr kümmerlich“, betont Kriminaldirektor Winfried Roll.

Angst habe er selbst nicht, sagt Taxifahrer Gerhard Gropp. Seine Frau aber schon, auch befreundete Kollegen würden mit einem mulmigen Gefühl fahren. Die Gefahr, überfallen zu werden, sei doch „verschwindend gering“, sagt dagegen Paul P. vom Kreuzberger Taxikollektiv. Bei 75.000 Einzelfahrten pro Nacht in Berlin läge ein Überfall noch „im Promillebereich“. Nur im Moment, wo er über Funk von einem Überfall hört, hat auch Paul P. ein ungutes Gefühl beim Taxifahren.

Wie am Sonntag: Zwei Jugendliche bedrohten mit Messern einen Taxifahrer in Kreuzberg. Der ließ sich einfach aus dem Auto fallen. Die Flucht aus dem Taxi „gibt es relativ häufig“, so Kriminaldirektor Roll. Dies sei eine Möglichkeit zu entkommen. Roll, der den Bereich Vorbeugende Verbrechensbekämpfung leitet, plädiert allerdings mehr für Maßnahmen im Vorfeld. Den Tatanreiz vermindern, indem möglichst wenig Bargeld mitgeführt wird oder mehr Kreditkarten genutzt werden, ist die erste Empfehlung, die er gibt.

Das extravaganteste Mittel, mit dem Roll die Berliner Taxifahrer vor Überfällen schützen will, ist jedoch ein Tresor mit einem Selbstvernichtungsmechanismus. Selbst wenn er bedroht wird, kann der Fahrer den Tresor nicht öffnen – der Schlüssel ist im Büro. Will der geldgierige Räuber mit Gewalt an das Geld kommen, werden die Geldscheine vernichtet. Karen Wientgen