„Ich muß da weg“

■ Seit fünf Jahren schon bietet das Mädchenhaus Bremen e.V. jungen Frauen in Notfällen Zuflucht und Freiraum zum Wohnen

„Ohne Mädchenhaus wäre ich auf der Straße gelandet“, sagt die 21jährige Yvonne heute. Im Alter von 17 Jahren habe sie es zu Hause nicht mehr ausgehalten: „Ich hatte Streß mit den Eltern“, sagt das Mädchen. Ein prügelnder, ständig besoffener Stiefvater habe ihr das Leben schon früh zur Hölle gemacht.

Eine Freundin vermittelte sie an die „Zuflucht“, eine Kriseneinrichtung des Mädchenhauses Bremen, wo junge Frauen in Not schnell und unbürokratisch unterkommen. Dort habe ich drei Monate und drei Wochen gewohnt“, rechnet Yvonne nach. Danach ist sie für zwei Jahre in die Wohngruppe gezogen.

Die beiden Wohnangebote des Mädchenhauses Bremen gibt es jetzt seit fünf Jahren. Etwa 300 Mädchen sind seit 1992 in der Kriseneinrichtung „Zuflucht“untergeschlüpft, in der „Wohngruppe“waren es 16. „Dort ist die Verweildauer länger, im Schnitt ungefähr zwei Jahre“, erläutert Mitarbeiterin Annette Ortlieb. Allerdings sei die WG nicht gut ausgelastet, bedauert sie. Das Jugendamt habe im Moment nur drei der sechs Plätze belegt.

Eine der drei Bewohnerinnen der WG in Hastedt ist die 17jährige Thea. Und sie ist darüber „total glücklich“. „Erstens fühle ich mich sicher und vor allem: Ich habe meine Freiheit“. Zu Hause sei sie wie in einem Käfig eingesperrt worden, „mit Verlobung und so“erklärt die Kurdin, versteckt sich hinter ihren langen schwarzen Locken und greift nach der Hand der Betreuerin.

Die Mädchen werden in der Wohngruppe rund-um-die-Uhr betreut. Wenn sie Streß in der WG oder in der Schule haben, wenn die Erinnerungen hochkommen, ist jemand für sie da und hilft bei der Suche nach Lösungen. Ansonsten versuchen die 14- bis 17jährigen ein ganz normales Leben zu führen. Die Mädchen kochen gemeinsam, gehen ins Kino oder besuchen das Mädchenhaus in der Rembertistraße. In dieser Einrichtung finden nicht nur Beratungsgespräche statt, sondern immer dienstags auch ein buntes Abendprogramm: Weihnachtsplätzchen futtern, Filme entwickeln oder über den „Sinn und Unsinn von Haschpfeifen diskutieren“.

Insgesamt arbeiten 20 festangestellte Psychologinnen, Sozialpädagoginnen und Diplom-Psychologinnen für das Mädchenhaus nach den Grundsätzen einer feministischen parteilichen Mädchenarbeit. „Wir nehmen unbedingt den emotionalen Streß der Mädchen ernst und wir wollen Selbstbestimmung vermitteln“, erläutert Psychologin Christine Koch den Ansatz. 90 Prozent der Mädchen würden von sich aus sagen:“Ich will oder muß weg“, und dann würden sie auch aufgenommen werden.Yvonne meint auch, daß man den feministischen parteilichen Ansatz des Mädchenhauses spürt: Klar geht es um Mädchen“. Kirsten Hartje