Kenias Politikern schwimmen die Felle davon

■ Der zweite Wahltag verläuft noch konfuser als der erste: Viele wahlwillige Bürger stehen erneut vor verschlossenen Wahllokalen. Präsident und Opposition sprechen von Fälschung

Nairobi (taz) – Der Fernseher läuft, ein Wachmann ist dabei, ein anderer ist noch im Morgenmantel. Im Pausenhof der Lavington Primary School, einem von 21 Wahllokalen im eher noblen Wahlkreis Westlands der kenianischen Hauptstadt Nairobi, war gestern um die Mittagszeit wieder Ruhe eingekehrt. „Heute morgen ab sechs Uhr waren hier lange Schlangen, rund dreitausend Menschen insgesamt“, berichtet Anton Mateka. Um neun Uhr habe dann ein Wahlbeobachter die Wartenden wieder nach Hause geschickt.

Dieses Mißverständnis kam daher, daß der Vorsitzende der kenianischen Wahlkommission, Samuel Kivuitu, am Montag zuerst bekanntgegeben hatte, daß die Wahlen in den Überschwemmungsgebieten im Nordosten und Osten des Landes um 24 Stunden verlängert werden. Später jedoch erklärte er, daß in allen Wahllokalen, in denen es Verzögerungen gegeben hatte, diese am nächsten Tag nachgeholt würden. Verzögerungen gab es im ganzen Land viele, weil entweder die richtigen Wahlpapiere oder die Urnen nicht angeliefert worden waren.

Aber wo gestern nun nachgewählt werden durfte und wo nicht, erfuhr niemand. Die Wähler in der Schule in Lavington warteten gestern vergeblich, obwohl dort am Montag die erste Stimme um 10 Uhr 30 statt um 6 Uhr abgegeben wurde. Am Montag war der Eingang der Schule mit Plakaten gepflastert, auf denen zu lesen war: „BBC und Voice of America sagen einen Erdrutschsieg von Moi voraus. Schließen Sie sich den Siegern an. Wählen Sie Moi.“ Der örtliche Kanu-Kandidat fuhr im Auto herum und verteilte 50-Shilling- Scheine (1,50 Mark).

Nicht alle Wahllokale in Westlands blieben gestern geschlossen. Zumindest zwei waren bis zur Mittagszeit geöffnet. Als deren Urnen gestern nachmittag in der Zählstation eintrafen, machte Karibia Munio, Kandidat der Oppositionspartei Safina, seinem Ärger Luft: „Das totale Chaos!“ Der Sohn des FORD-Kenya-Kandidaten Amin Alibai, Arshid Alibai, der für seine Partei die Wahlen beobachtete, berichtete, die Verantwortlichen der Wahlkommission hätten ihm am Montag abend versichert, daß in dem Wahlkreis die Lokale am nächsten Tag nicht mehr geöffnet würden. „Als ich jedoch um sechs Uhr morgens in das Wahllokal am Hospital Hill komme, haben sie die Siegel der Urnen geöffent, um weiter wählen zu lassen. Es hat einen Kampf gegeben, aber dann wurde die Wahl dort abgebrochen.“

Medien und Politiker haben den Schuldigen für das Chaos schon jetzt ausgemacht. Die Sozialdemokratische Partei der aussichtsreichen Moi-Gegenkandidatin Charity Ngilu fordert, die gesamten Wahlen für ungültig zu erklären. Auch die Demokratische Partei (DP) des aussichtsreichen Oppositionskandidaten Mwai Kibaki hat angedroht, die Ergebnisse nicht anzuerkennen. Der East African Standard zeigte in einer Sonderausgabe auf seiner ersten Seite einen ratlosen Chef der nationalen Wahlkommission, Samuel Kivuitu, unter der Überschrift: „Ich weiß von nichts!“

Präsident Moi wiederum warf gestern der Wahlkommission in einer Rundfunkerklärung vor, die Wahlen zugunsten der Opposition zu fälschen. Dies läßt Furcht vor einer ausgewachsenen politischen Krise aufkommen. Nairobi war gestern wie ausgestorben. Das kann sich jedoch schnell ändern, denn der Oppositionelle Kenneth Matiba, der bei den letzten Wahlen vor fünf Jahren zweiter hinter Moi wurde und diesmal boykottiert, hat erklärt, am Sonnabend eine Gegenregierung auszurufen. Peter Böhm