Alles wird gut, Amerika

Ehrlich währt am längsten, Gegensätze ziehen sich an und andere unverbrüchliche Weisheiten: „Nix zu verlieren“ von Steve Oedekerk ödet ziemlich an  ■ Von Thomas Winkler

Die Welt von Werbefachmann Nick (Tim Robbins) geht zu Bruch, als die Gattin ihn mit dem Chef betrügt. Verwirrt sucht er das Weite. Kaum rollt sein Jeep ins Ghetto, ertönt HipHop, und Nick hat eine Knarre an der Schläfe.

Der Räuber namens T (Martin Lawrence) allerdings stellt sich als Novize in seiner Branche heraus und wird von Nick folgerichtig in die Wüste entführt. Das ist doch vielversprechend, denkt man und erinnert sich an Klamauk wie „48 Stunden“ oder „Lethal Weapon“ (oder in ganz schwachen Stunden: Bud Spencer und Terence Hill), deren Reiz man nie so recht den besten Freunden vermitteln konnte.

Der eine ist weiß, der andere schwarz, der eine ist groß, der andere klein, der eine ist reich, der andere arm, der eine ist ruhig, der andere hysterisch. Die müssen einfach Kumpels werden, schließlich steht unverbrüchlich fest: Gegensätze ziehen sich an.

„Nix zu verlieren“ wird sicher nicht der letzte Film sein, der daraus seine Grundspannung bezieht, aber hoffentlich der letzte, der daraus so wenig macht. Wenn die Gags gar nicht mehr ziehen wollen, läßt Regisseur Steve Oedekerk die Hauptdarsteller aufeinander einschlagen, ganz oft „Shit!“ (wir sind schließlich jugendfrei) brüllen und manchmal sogar einfach komisch laufen. So was mag ja mit Jim Carrey funktionieren, für den Oedekerk den zweiten „Ace Ventura“ in den Sand setzte, aber hier hält sich der Spaß ziemlich in Grenzen.

Als Komödie ist „Nix zu verlieren“ ähnlich schwungvoll wie der fast schon rührende Anflug von Flottheit im deutschen Titel. Andererseits: Vielleicht versteckt sich hinter dem scheinbar so harmlosen Mäntelchen des Buddy-Movies eine tiefsinnige Parabel auf den Zustand Amerikas? Hintersinnige Analysen zu Rassenkonflikten und Ghettoisierung, Gangbanging und Zwei-Drittel-Gesellschaft? Robbins geht durch als moderner Sklavenhalter im Yuppie-Gewand, für den die Welt so in Ordnung ist, daß sie wegen Pippifax schon durcheinandergerät. Und Lawrence gibt den Onkel Tom, der redlich versucht, Frau und Kinder und Oma durchzubringen. Hier hat die Nation of Islam keine Chance, der unbotmäßige Sohnemann bekommt noch von der resoluten Großmutter höchstselbst eine Kopfnuß verpaßt und geht dann brav wieder los auf Jobsuche. Kurz: Hier ist die Welt noch in Ordnung, die Klassen und Rassen noch am rechten Ort, und soziale Ausweglosigkeit wird zum Grimassenschneiden auf dem Sofa von Sozialhilfeempfängern, die zwar arm, aber sicherlich sauber und gottesfürchtig sind.

Und hier kommt noch 'ne Filmweisheit: Ehrlich währt am längsten. Das Ehrlichbleiben ist in diesem Fall recht kompliziert. Weswegen beide Saubermänner schlußendlich belohnt werden: Der weiße Mann bleibt reich, und der schwarze Mann bekommt ein kleines Stück vom Reichtum ab. Alles wird gut, Amerika.

„Nothing to lose“. Regie und Buch: Steve Oedekerk. Mit Martin Lawrence, Tim Robbins, John C. McGinley u.a. USA 1997, 97 Min.