Karl Valentin-Retrospektive

Karl Valentin hatte, was das Kino angeht, nie Berührungsängste. Ganz im Gegenteil, der 1882 geborene Komiker und Schriftsteller entwickelte früh eine Begeisterung für das neue Medium – nur ließ man ihn dort nicht so walten, wie er gerne gewollt hätte. Deshalb realisierte er auf der Leinwand nur wenig dessen, was er unentwegt plante. Ab 1912 entstanden 29 Filme und 12 Filmfragmente. Erhalten sind heute nur noch etwa zwei Dutzend davon - von denen das Metropolis-Kino diesen Monat ein Großteil noch einmal aufführen wird.

Die dürre und lange Gestalt Valentins eignete sich hervorragend für die burleske, körperbetonte Komik des frühen Films. So bezieht Karl Valentins Hochzeit (1912) seinen Witz aus dem Gegensatz seiner hagerer Statur und der Korpulenz seiner Angetrauten.

Doch erst mit der Einführung des Tonfilms konnte Karl Valentin auch seinen brillanten Wortwitz im Kino entfalten. Die Sprache wird in seinen grotesken Szenen absurder Logik so lange hinter-, über- und zerfragt, bis das Selbstverständliche aufhört, es zu sein. Da ißt er in Der Theaterbesuch (1934) schon mal eine Wurst vor dem Spiegel, um eine doppelte Portion zu haben.

Häufige Partnerin nicht nur auf der Bühne, sondern auch in seinen Filmen ist Liesl Karlstadt, die in den Duodramen gern die unterdrückt-widerborstige Ehefrau gibt oder in Hosenrollen Autoritätspersonen verkörpert. Ein schönes Beispiel für letzteres findet sich in Die Orchesterprobe (1933), in der sich Dirigentin Karlstadt mit Musiker Valentin duelliert. Die Waffen: Taktstock und Geigenbogen.

In der NS-Zeit eckte Valentin mit der anarchistisch-absurden Komik seiner Filme bei der Zensur an. Zwei Filme wurden mit Jugendverbot belegt, zwei komplett verboten und laufende Projekte verzögerten sich um Jahre.

Um an Geld für seine Produktionen zu kommen, bot Valentin Hitler seine Sammlung Kitschpostkarten und Altmünchener Ansichten zum Kauf an. Der zeigte sich zwar sehr interessiert, knüpfte aber an den Kauf die Bedingung, daß Valentin mit dem Geld keinen Film drehen dürfe. Der Deal scheiterte.

1942 zog sich Valentin weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Er starb Anfang 1948 nahezu vergessen und verarmt bei München. Tim Gallwitz

Sonntag, 17 Uhr: Valentin-Kurzfilmprogramm Teil 1, Metropolis; weitere Termine siehe Tagesprogramm