Wand und Boden
: Zurück in der Welt der reinen Farbe

■ Kunst in Berlin jetzt: Josef Albers, Erwin Blumenfeld, Joseph Grigely

Das Foyer im Bauhaus-Archiv ist hübsch dezent beleuchtet. In diesem Licht sehen die klobigen Kaffeekannen von Alessi wie kostbare Schmuckstücke aus – ein Traum von Kunstgewerbe. Nur wenige Meter weiter hängen zwölf minimalistische Drucke aus Josef Albers' „Homage to the square“ in einem abgetrennten Raum, davor stehen sechs simple Holzschemel, und schon ist man zurück in der Welt der reinen Farbe. Gelb strahlt es auf drei Bildern an einer Wand entlang, gegenüber bündeln sich Rottöne, und mittendrin mischen sich grau, braun und blau in der Erinnerung. Kein Ton gleicht dem anderen, trotzdem vermittelt sich so etwas wie ein visueller „Sound“, sehr angenehm, ein bißchen wie Herbie Hancock plus Beach Boys, sehr Sixties jedenfalls.

Der 1888 in Bottrop geborene Albers kam anfang der 20er Jahre als Lehrer für die Grundkurse ans Bauhaus. Nach Amerika emigrierte er schon 1933, einige US- Kollegen hatten ihn „eingeladen“. Dort entwickelte der Maler seine Theorie über die Wirkung von Farbtönen, die er am Beispiel seiner „Homage to the square“ seit 1950 selbst in über tausend Bildern ausprobierte. Insgesamt gibt es vier Grundvarianten mit drei bzw. vier ineinandergesetzten Quadraten, die sich zum Zentrum hin perspektivisch verjüngen. So lassen sich quer durch das Spektrum alle Farben millionenfach kombinieren. Albers verglich seine Arbeit mit einem „Tablett, auf dem Farbe serviert wird“. So humorvoll ist die Idee von Dienstleistung im Kunstbetrieb nie wieder formuliert worden.

Bis 28. 2., tägl., außer dienstags, 10–17 Uhr, Klingelhöfer Str.14

Schon auf dem Flur der Kunstbibliothek, nach den ersten zwei, drei Selbstporträts mag man den Kerl mit der Knollennase. Erwin Blumenfeld muß eine Art Harald Juhnke der Fotokunst gewesen sein; einer, der polternd, aber gut gelaunt seine Models scheuchte, die damals in den dreißiger und vierziger Jahren noch Mannequins hießen; einer, der sich mit den Grafikchefs bei Harper's Bazaar und Vogue anlegte, weil er sie für „Arschdirektoren“ hielt; einer, der als Jude durch Glück vor den Nazis abhauen konnte nach Amerika, um zum gefragtesten Modefotografen zu werden. Daß seine Fotomontage von Adolf Hitler und einem Totenschädel 1942 millionenfach als Propaganda über Deutschland abgeworfen wurde, paßt in dieses Bild. Erwin Blumenfeld sah sich nie als Deutscher, aber als Berliner, „immer nur Berliner“. Zur Fotografie kam er auf sehr verschlungenen Pfaden: 1897 in der Wilhelmstraße 140 geboren, mußte der Junge mit 15 Jahren bei einem Konfektionsbetrieb in die Lehre. Nach dem ersten Weltkrieg folgte er seiner großen Liebe Lena nach Amsterdam. Seine Pläne als Kunsthändler scheiterten rasch, und auch ein 1923 gegründetes Lederwarengeschäft ging 1935 pleite. Selbst für seine Fotos erhielt er in diesen Jahren vernichtende Kritiken, weil sie angeblich nichts als technische Spielereien eines Amateurs darstellten. Tatsächlich wurden gerade Blumenfelds experimenteller Umgang mit Entwicklungstechniken und seine extremen Bildausschnitte zum Markenzeichen: Auf einer Titelseite für Vogue bleiben vom Gesicht einer Frau auf weißem Grund hoch stilisiert bloß Mund und Auge übrig. Offenbar sah Blumenfeld in der Fotografie die Fortsetzung der Zeichnung mit anderen Mitteln. Schon als Jugendlicher hatte er mit Tusche ausgiebig dadaistische Collagen übermalt und die Konturen auf Porträts wieder und wieder in kantige Muster zerlegt. Mit den Fotos ist es ähnlich: Blumenfeld löst seine Figuren in schwarzweiß abstrahierte Formen auf oder hebt Details hervor, während der Rest im Halbdunkel verschwimmt. Sein Lieblingsmotiv ist der Torso, den er mit jedem Akt neu bearbeitet – irgendwann kann man Positiv- und Negativbusen nicht mehr unterscheiden. So fügt sich die Fotografie ganz der Arbeit in der Dunkelkammer, dem Ort der „Spiele zum Alleinspielen“. Mit 73 Jahren starb Blumenfeld in Rom, während er an seiner Autobiographie schrieb. In den Notizen heißt es übrigens zur Kunst: „Maler und Sozialer, das reimt sich nicht. Aber Genie und Charakter, das reimt sich wie Scheisse und Blumentopp.“ Echt berlinerisch, trotz Mode und Glamour.

Bis 1. 2., Di.–Fr. 9–17, Sa./So. 10–18 Uhr, Matthäikirchplatz, Kulturforum

Mitten im Raum der Galerie Arndt & Partner hat Joseph Grigely eine Arbeitssituation aufgebaut, wie man sie aus der Kunstpraxis der neunziger Jahre kennt. Zwei Kaffeetassen stehen auf einem schmalen Tischchen, dazu allerlei Zuckertüten, eine Packung Gauloises und etwas Sekt. Ansonsten sind lauter Zettel über den Tisch verteilt, auf die irgendjemand Notizen zu Robert Altmans „Prêt-à-porter“ und einer Video- Edition alter Truffaut-Filme gekritzelt hat. Und auf einem Stadtplan findet sich auch noch der obligatorische Club angekreuzt – so ist das in Berlin-Mitte.

Solchermaßen auf Kontexte eingestimmt, schickt der US-amerikanische Künstler und Englisch- Professor den Besucher recht behutsam auf seinen biographischen Parcours. Der 1957 geborene Grigely verlor mit elf Jahren bei einem Unfall sein Gehör, entsprechend versucht er in den Arbeiten, die Vielschichtigkeit von Kommunikation aufzuzeigen – das gesprochene Wort, das Bild, der Text, jede Sprache beruht auf Intertextualität. Was man nicht sagen kann, muß man malen, worüber man keine Bilder hat, darüber muß man schreiben.

Aus diesen Verbindungen baut Grigely sechs Situationen zusammen, die über Zettel an der Wand funktionieren. Es beginnt mit Namen von Künstlern und Kuratoren, denen er vorgestellt wurde. Schon bei diesem ersten Kontakt wird die Gehörlosigkeit zur Grundlage für das geschriebene Wort. Man tauscht Handschriften aus oder Visitenkarten. Später werden die knappen Dialoge ein wenig intimer, manchmal kommt sogar Sex ins Spiel. Dann wieder geht es um den Alltag zwischen Museum, Uni und Diskurs, oder um Grigelys vor sich hin gegrübelte Gedanken. Zuletzt steht auf einem Blatt, daß er lieber besseren Scotch hätte. Am Ende des Rundgangs kommt man wieder zu dem Tisch und versteht die Notizen: Es wird ein Arbeitsgespräch mit dem Galeristen gewesen sein. Eine hintergründige und doch lebensnahe Geschichte.

Ab 6. bis 24. 1., Di.–Sa. 14–19 Uhr, Hackesche Höfe, Rosenthaler Str. 40/41 Harald Fricke