Die Welt nach Derrick

■ Wie geht's weiter? Acht namhafte Regisseure arbeiten an Filmprojekten fürs Prime-time-TV

In Zeiten der Medien-Megakoalitionen kündigt sich nun auch in der Produzentenriege eine Elefantenhochzeit an. Der Medienmogul Bernd Eichinger plant gemeinsam mit dem Grandseigneur unter den deutschen TV-Produzenten, Helmut Ringelmann (Telenova), eine Reihe aufwendiger Fernsehspiele. Prominente Regisseure stellen ihre Version einer Welt nach Derrick vor: Vom leichtfüßigen Abgesang bis zum bitteren Epitaph reicht die Palette der Filme, die schon jetzt zu den Meisterwerken ihrer Art zählen. Gerüchteweise ist auch ein Kinofilm unter der Regie von Paul Verhoeven geplant, von dem außer dem Titel „Munich Freaks“ bisher nichts Näheres bekannt wurde.

Von den acht geplanten Prime- time-Events liegen nun erste Produktionsnotizen vor, die einen Einblick in nachdenken machende Bilderwelten von bezaubernder, manchmal beklemmender Schönheit gewähren. (Die Folge „Typewriter“ des verstorbenen Andy Warhol basiert auf einem Siebdruck, den er 1975 im Restaurant des Hotels „Münchener Hof“ auf einer Serviette hinterließ. Es handelt sich dabei um eine Drehbuchminiatur, die entstand, nachdem der Pop-Papst in seiner Suite einer „Derrick“-Folge ansichtig geworden war.)

Brian de Palma:

„Der Mann, der zu oft mußte“

Brillante Hitchcock-Hommage, die unter die Haut geht. Allein schon sehenswert wegen der actiongeladenen Pinkelsequenzen, die Harry schräg von unten beim Urinieren zeigen. Zwischendurch versucht Günter Strack, an einem Seil hängend, das Erfolgsgeheimnis des verstorbenen Derrick aus dem Tresor zu stehlen. Horst Tappert ist in einer Gastrolle als Hubschrauberpilot zu sehen. Emmanuelle Béart als Haushälterin Agathe.

Wim Wenders:

„Im Fernsehen, so nah“

Der verstorbene Derrick schwebt mit Engelsflügeln ins Präsidium. Harrys Off-Kommentar aus der Feder von Peter Handke liefert eine poetologische Absichtserklärung, kunstvoll verwoben mit melancholischen Schilderungen ethnischer Konflikte. Otto Sander gibt einen bosnischen Asylbewerber, der sich im Autor des Films wiederzuerkennen glaubt und fortan in einer Traumwelt lebt. Mit Solveig Dommartin als Haushälterin Agathe.

Stephen Frears:

„Bier & Brezeln“

Nach einer Drehbuchvorlage von Roddy Doyle à la Herbert Reinecker zeichnet Frears das sensible Porträt eines Mannes am Abgrund. Harry ist nach Derricks Pensionierung in eine Sinnkrise geraten und schlägt sich mit mäßigem Erfolg als Privatschnüffler durch. Ein zugelaufener Hund zeigt ihm, daß das Leben dennoch lebenswert sein kann. In einer weiteren Rolle Julia Roberts als Haushälterin Agathe.

Woody Allen:

„Harry und seine Brüder“

Der ewige Stadtneurotiker in Bestform: Ein heiterer bis besinnlicher Bilderreigen zeigt die ausgiebigen Gespräche an der Kaffeetafel im Hause Klein. Harrys plötzlich aufgetauchte Brüder überzeugen das Polizistenduo vom Ausstieg aus der Verbrechensbekämpfung. Derrick ist zudem durch eine Romanze mit einer minderjährigen Thailänderin in Verruf geraten. Zuletzt beschließt er, seine Memoiren zu schreiben, während Harry mit Derricks Ex-Lolita eine Off-Bavaria-Schauspielertruppe gründet. Als Haushälterin Agathe: New York.

Abel Ferrara:

„Bad Inspector“

Tabuverletzende Gewaltoper. Harry, mehr und mehr vom Katholizismus besessen, versinkt in einem Sumpf aus Drogen und Prostitution. Nach einem Diebstahl in der Asservatenkammer schickt der Regisseur ihn auf einen surrealen Trip ins eigene Unterbewußte. Claudia Schiffer als Haushälterin Agathe.

Leni Riefenstahl:

„Von deutschem Wesen“

Wunschprojekt des Autors Reinecker, der Leni anläßlich eines Brunchs bei Dolferl anno '36 kennenlernte. „Diesmal lasse ich die Neger tauchen, und der Herbert hilft mir dabei. Er versucht auch immer wieder, Krimi-Elemente hineinzubringen“, so die Regisseurin. Zudem ist Nina Ruge als Haushälterin Agathe zu sehen. Ihr One- Liner „Alles wird Jud“ sorgt schon vor dem Filmstart für kontroverse Diskussionen.

Ingmar Bergman:

„Schweigende Erdbeeren“

Dem pensionierten Fernsehschauspieler Hørst Tapperdóttir soll der Grimme-Preis verliehen werden. Sein Fahrer Frits verwechselt in der Tiefgarage einen BMW mit der Limousine des Mimen. Der Wagen trägt die Protagonisten wie von Geisterhand in ihre Vergangenheit. Weinende Clowns symbolisieren die Paradoxien der Zeitgeschichte. Andreas Kilb in der Zeita über den Vorab-Trailer: „Mitten in der Agonie des Mediums bäumt sich das strauchelnde Genie noch einmal auf, und nichts scheint mehr so zu sein, wie es vorher einmal war. Nur in Cannes regnet es immer noch.“ „Der Meister ist zurück.“ (Die Welt)

Andy Warhol:

„Typewriter“

Sperrige Fingerübung, die Harrys Schreibmaschine in dessen Abwesenheit zeigt.

Oliver Stone:

„ZDF“

Bei dem Versuch, Kanzler Kohl vor einem Attentat zu schützen, wird Derrick tödlich verwundet. In einer Parallelmontage versucht Harry, die Täter zu überführen, während Guido Knopp in Videosequenzen die Dokureihe zum Attentat moderiert. Die Haushälterin Agathe (Juliette Lewis) filmt ihren eigenen Selbstmord, überlebt jedoch als Doppelbelichtung. Daniel Hermsdorf/

Benjamin Heßler