Die Japaner wollen das ganze Gold

■ Die Erfolge seiner Springer bei der Vierschanzentournee nähren große Olympia-Hoffnungen beim japanischen Coach Manabu Ono

Innsbruck (dpa) – Vor dem dritten Wettbewerb der 46. Vierschanzentournee am Sonntag (13.30 Uhr) am Bergisel in Innsbruck interessiert aus internationaler Sicht vor allem, ob Kazuyoshi Funaki nach seinen Erfolgen in Oberstdorf und Garmisch-Partenkirchen als erster Springer alle vier Wettbewerbe gewinnen kann. Im Hinblick auf Nagano stellen sich zwei Fragen: Können die Japaner ihre grandiose Form bis zu den Winterspielen konservieren – und wird Dieter Thoma zu alter Stärke zurückkehren?

„Ich bin froh und glücklich über die Entwicklung unserer Mannschaft insgesamt. Es sind einige Athleten dazugekommen, die starke Leistungen zeigen, so daß ich jetzt Alternativen habe“, sagte Bundestrainer Reinhard Heß zum bisherigen Tourneeverlauf. „Wir haben keinen Grund, traurig zu sein. Wären heute Olympische Spiele gewesen, hätten wir locker Bronze gewonnen.“

Obwohl der Bundestrainer „keine Thoma-Diskussion“ anzetteln will, kann er eine gewisse Beunruhigung nicht verbergen. „Der Dieter ist im Moment so fest wie ein Backstein. Da stimmt was nicht“, mutmaßt Heß. Der Sturz in Oberstdorf und die Tatsache, daß beim Neujahrsspringen der junge Wagner als Siebter einen Rang vor ihm lag, ließen den Hinterzartener wie versteinert wirken. „Er hat heute Stunden gebraucht, um endlich wieder zu lachen“, berichtete der Trainer. Die Wahl der drei Jahre alten, viel zu langsamen Ski beim Neujahrsspringen war für Heß der Beweis von Thomas Verunsicherung.

Erschrocken war der Bundestrainer, als er die Nagano-Prognose seines japanischen Kollegen Manabu Ono vernahm. „Der will sieben Medaillen gewinnen – das sind ja alle“, stellte er entsetzt fest. Seit zwei Jahren hätten die Asiaten in ihren Reihen „mindestens vier Siegspringer“. Da sehe man halt schlecht aus, wenn, wie in Partenkirchen, drei durchkämen. Das große Reservoir – FIS-Direktor Walter Hofer schätzt, daß 80 Japaner im Weltcup gut mithalten könnten, dürften sie nur alle starten – sowie die guten körperlichen und mentalen Voraussetzungen macht Heß für die Sonderstellung der Japaner verantwortlich. Und die gnadenlose Auslese der bei Firmen angestellten Berufsspringer. „Das sind einfach alles Ausnahmeathleten“, konstatiert Heß.

Die Hoffnung des Bundestrainers: „Vielleicht schlagen sie sich selbst.“ Der Druck in der Heimat, räumt auch Ono ein, sei unheimlich groß. Die Karten für die Springer- und Kombinierer-Wettkämpfe in Hakuba sind längst verkauft. „Für alle zählt nur Gold“, sagt Ono. Doch schon einmal glitt den Japanern die Goldmedaille aus den Händen: In Lillehammer führten sie vor dem letzten Durchgang – aber Olympiasieger wurde Deutschland. Funaki war 1994 noch nicht dabei, und auf seinen Landsmann Yukio Kasaya muß er erst hingewiesen werden. Kasaya hatte 1972 die ersten drei Springen der Vierschanzentournee gewonnen; wegen der Olympia-Vorbereitung trat der spätere Sapporo- Sieger in Bischofshofen nicht mehr an und vergab damit die Chance, als bisher einziger alle vier Tourneewettbewerbe zu gewinnen. „Ich werde alle Wettkämpfe mitmachen“, erklärte Funaki und fügte hinzu: „Ich würde auch gern alle vier gewinnen.“