Indien rüstet sich für die Wahlen

■ In der größten Demokratie stimmen die 600 Millionen Wähler an vier Tagen ab. Kongreßpartei will mit Sonia Gandhi auf Stimmenfang gehen

Delhi (taz) – Mitte Februar wird in Indien die Wahl der 545 Abgeordneten des Parlaments beginnen. Die oberste Wahlkommission hat vier Tage – den 16., 22., 28. Februar sowie den 7. März – festgelegt, um die komplexe Logistik dieser weltweit größten demokratischen Operation in den Griff zu bekommen. Um die 900.000 Wahllokale zu schützen, müssen mehrere hunderttausend Mann paramilitärischer Truppen und 4,5 Millionen Wahlhelfer in den oft schwer zugänglichen Regionen des großen Landes verschoben werden. Denn die Wahlkommission will den Schutz nicht der lokalen Polizei anvertrauen, die als beeinflußbar gilt. Deshalb war bereits bei den letzten Parlamentswahlen im April 1995 erstmals an verschiedenen Tagen gewählt worden.

Wenngleich die Parteien jetzt schon vereinzelt Kundgebungen abhalten, beginnt der offizielle Wahlkampf erst Anfang Februar und ist auf zwei Wochen beschränkt. Damit sollen die Kosten für den Staat, die über 200 registrierten Parteien und vor allem für die Kandidaten begrenzt werden. Den Staat kosten die Wahlen umgerechnet 365 Millionen Mark, die Parteien müssen nach Schätzungen das Dreifache aufbringen.

Die hohen Kosten waren eines der Argumente von Premierminister I. K. Gujral, mit denen er die Kongreß-Partei im November davon abbringen wollte, der Koalitionsregierung die Unterstützung zu entziehen. Kongreß hatte jedoch nach nur anderthalb Jahren parlamentarischer Unterstützung ohne Teilnahme an der Regierung Neuwahlen vorgezogen. Für den Kongreß war dabei die Angst vor einem weiteren Profilverlust größer als die Hoffnung, im neuen Parlament wieder eine dominierende Rolle spielen zu können.

Doch zahlreiche Kongreß-Politiker trauen der Analyse ihres Parteipräsidenten Sitaram Kesri nicht. Etliche haben in den letzten Wochen die Partei gewechselt. Besonders die rechtsnationale Hindupartei BJP konnte prominente Abgeordnete gewinnen, darunter sogar Muslime. Jetzt erschien der Kongreß-Partei mit Sonia Gandhi die langersehnte Retterin in der Not. Die Witwe des 1991 ermordeten ehemaligen Premierministers Rajiv Gandhi hatte sich bisher geweigert, in Parteiangelegenheiten einzugreifen. Sie hatte sich letztes Jahr zwar als Mitglied registrieren und es auch geschehen lassen, daß die Parteiführung sie immer wieder bat, „den Kongreß und das Land zu retten“. Ihre Ankündigung, die Partei im Wahlkampf zu unterstützen, ohne selbst ein Amt anzustreben, hat die Friedhofsstimmung im Parteihauptquartier nun in Euphorie verwandelt.

Die politischen Gegner hat das wenig beeindruckt. Zwar ist Sonia Gandhis Wirkung nicht zu unterschätzen. Sie ist das letzte Glied in der Nehru-/Gandhi-Dynastie, die das unabhängige Indien weitgehend geprägt hat. Und in den Dörfern des Landes, wo die Zusammensetzung des Parlaments weiterhin bestimmt wird, hält die Kraft politischer Symbole länger an als in den Städten. Als Frau und Witwe kann Sonia Gandhi zudem mit einem Sympathiebonus bei den Wählerinnen rechnen. Doch seit dem Tod ihres Mannes sind sieben Jahre vergangen. Und mit dessen Namen verbindet sich nicht nur Indiens berühmtestes Geschlecht, sondern auch der Name der Bofors-Schmiergeldaffäre. Und schließlich werden die politischen Gegner mit dem Hinweis auf die italienische Herkunft der früheren Sonia Maino an den nationalen Stolz der Wähler appellieren. Bernhard Imhasly